Inhaltsverzeichnis
1. Front matter
2. Zur Handlungsmacht technischer Medien. Ein medienepistemologischer Vergleich
2.1 Die Handlungsmacht technischer Medien im Transhumanismus
2.2 Mechanische Delegationen entlang Latours Hoffnung der Pandora
2.2.1 Akteure und Aktanten
2.2.2 Transhumane Kollektive
2.2.3 Handlungsmacht als Kontinuum
2.3 Die Handlungsmacht technischer Medien im Posthumanismus
2.4 Materielle Verschränkungen entlang Barads Agentiellem Realismus
2.4.1 Materie und Bedeutung
2.4.2 Kriemanns Radiogramme als apparatives Beispiel von Intraaktion
3. Schlussbetrachtung: What’s the matter?
Literaturverzeichnis
1. Front matter
Das in Frage stehende Erkenntnisproblem läßt sich wohl kurz dahin kennzeichnen, daB einerseits die Beschreibung unserer Gedankentätigkeit die Gegenüberstellung eines objektiv gegebenen Inhalts und eines betrachtenden Subjekts verlangt, während andererseits - wie schon aus einer solchen Aussage einleuchtet - keine strenge Trennung zwischen Objekt und Subjekt aufrechtzuerhalten ist, da ja auch der letztere Begriff dem Gedankeninhalt angehört.
Bohr, Niels: Atomtheorie und Naturbeschreibung. Berlin: Julius Springer, 1931. S. 62.
1 Bohr, Niels: Diskussion mit Einstein über erkenntnistheoretische Probleme in der Atomphysik. In: ders.: Atomphysik und menschliche Erkenntnis. Aufsätze und Vorträge aus den Jahren 1930 bis 1961. Braunschweig / Wiesbaden: Friedrich Vieweg & Sohn Verlagsgesellschaft, 1985. S. 39.
2 Bohr, 1985. S. 38.
3 Bohr, 1985. S. 38.
4 Bohr, 1985. S. 39.
5 Vgl. Bohr, 1985. S. 39.: „[D]ies tritt unmittelbar zutage in dem Dilemma betreffend Korpuskel- und Welleneigenschaften der Elektronen und Photonen, bei denen wir es mit kontrastierenden Bildern zu tun haben, von denen jedes eine wesentliche Seite der Erfahrung darstellt.“
6 Bohr, 1985. S. 64.
7 Barad, Karen: Agentieller Realismus. Über die Bedeutung materiell-diskursiver Praktiken. Berlin: Suhrkamp, 2016. [2003] S. 11.
8 Vgl. McLuhan, Marshall: The Gutenberg Galaxy. The Making of Typographic Man. Toronto: University of Toronto Press, 1962. S. 31.
9 Vgl. Brown, Bill: Materiality. In: Mitchell, W. J. T.; Hansen, Mark B. N. [Hrsg.]: Critical Terms for Media Studies. Chicago; London: University of Chicago Press, 2010. S. 50.
10 Anm.: Die weitläufige Verkürzung als „Actor Network Theory“ scheint unter dem Gesichtspunkt der Unterscheidung von Akteuren und Aktanten, die Latour trifft, unsauber gewählt. Aus diesem Grund verwende ich die häufig erscheinende Abkürzung ANT unter dem Verständnis, Akteure und Aktanten gleichzeitig zu meinen, insofern nicht anders und explizit angegeben.
11 Vgl. Latour, Bruno: Pandora’s Hope. Essays on the Reality of Science Studies. Cambridge: Harvard University Press, 1999. S. 201.
12 Barad, 2012. S. 12.
13 Barad, 2012. S. 17.
14 Barad, 2012. S. 24.
15 Vgl. Barad, Karen: Meeting the Universe Halfway. Quantum Physics and the Entanglement of Matter and Meaning. Durham; London: Duke University Press, 2007. S. 214: “Agency cannot be designated as an attribute of subjects or objects (as they do not preexist as such). Agency is a matter of making iterative changes to […] practices through […] dynamics[.]”
Als sich 1927, zum hundertsten Todestag Alessandro Voltas, eine Riege internationaler Physiker in dessen norditalienischer Geburtsstadt Como zu einer Konferenz zusammenfanden, um die epistemologische Einführung Heisenbergs Unschärferelation in der Physik zu diskutieren, sprach sich Niels Bohr für einen „quantenmechanischen Formalismus“ aus. [1] Die Diskussion um die Komplexität aus Unschärfen und Unbestimmtheiten sollte nach Bohr durch die „Anwendung der Terminologie der klassischen Physik“ erfolgen. [2] Bohrs Theorie der „Komplementarität“ sieht in ihrer „Unmöglichkeit einer scharfen Trennung zwischen […] atomarer Objekte und […] den Messgeräten, die zur Definition der Bedingungen dienen, unter welchem die[se] Phänomene erscheinen“, [3] die Quantenmechanik noch immer in Experimenten und Messinstrumenten erschlossen. Wenngleich quantenmechanische „Wechselwirkungen zwischen […] Objekten und […] Meßgeräten“ unvorhersehbar sind, beherbergen letztere die Möglichkeit zur Wiedergabe der „Gesamtheit aller Phänomene“ [4] und sind notwendige epistemologische Ergänzung eines Welle-Teilchen-Dualismus,5 wenn nicht gar als „Revision unserer […] Hilfsmittel [zu verstehen], die uns die neuere Entwicklung der Physik aufgezwungen hat.“ [6] Für eine Medienwissenschaft der technologisch-materiellen Epistemologie bedeutet dies, sich für die Eigenheiten quantenmechanischer Theorie insofern zuständig zu fühlen, als dass sie nach Bohr im technischen Medium physikalischer Messinstrumente komplementiert und überhaupt erst begrifflich adressierbar wird.
Dass diese Zuständigkeit jedoch keine rein semiotische ist, sondern in ihrer „Philosophie-Physik“ [7] ebenso eine medienepistemologische Dimension entfaltet, zeigt das sich ausdifferenzierende Diskursfeld transhumanistischer und posthumanstischer Theoretiker und Theoretikerinnen. Der spätestens durch Descartes adressierte Leib-Seele-Dualismus weißt eine eigene Tradition als philosophisches Problem auf. Er treibt spätestens mit der zum Heimcomputer avancierten Universalrechenmaschine auch jene Disziplinen voran, die sich im Laufe der sich industrialisierenden westlichen Welt zum Ende des 18. Jahrhunderts aus der Philosophie als eigenständige Fachbereiche formierten, wie den Sozial-, Kultur-, Sprachwissenschaften. [8] In jener Zone der Überschneidung von kulturellen Wissenschaften und den sich aus den instrumentellen Ingenieurswissenschaften entwickelten Erkenntnissen versteht sich eine Medien- und Technikwissenschaft, die sich auch eine Gegenwart zum Gegenstand nimmt, dessen tradierter Leib-Seele-Dualismus in Form neuster kybernetischer, hybrider Technologien zu überwunden versucht wird. [9] Die Bedeutung der Differenz und Komplementierung von Messmedien und den zu messenden Phänomenen schreibt sich auch in der technischen Medienwissenschaft im Dilemma einer Subjekt-Objekt-Spaltung fort. Sie stellt die Frage, welche Bedeutung dem Menschen als erkennendes Subjekt angesichts eines materiellen Eigenwillens im Messinstrument und angesichts einer Unbestimmtheit quantenmechanischer Phänomene in unserer Wissensproduktion zukommt. Oder noch konsequenter: Welcher Rolle das technische Medium an sich einnimmt, ohne einer Zentrierung menschlichen Zutuns. Die im Folgenden vorgestellten Positionen verorten sich entlang dieses Diskursfeldes. Gleichwohl unterscheiden sie sich in ihrer Ausdifferenzierung anthropologischer Dimensionen derart, dass sie zum Anlass einer Untersuchung dienen, die in ihnen angelegte, oder legitimierte, Handlungsmacht technischer Objekte zu vergleichen. Die als Agency beschriebene Handlungsmacht nicht-menschlicher Entitäten möchte ich deshalb an zwei Stellvertretern diskutieren.
Als erste Position meines Vergleiches ziehe ich die Actor/Actant Network Theory (ANT) [10] des französischen Soziologen Bruno Latour heran. Die seit den 1990ern einsetzende Verbreitung seines Begriffes einer Agency in den Sozial- und Kulturwissenschaften adressiert eine Verteilung der Handlungsmacht entlang menschlicher und nicht-menschlicher Entitäten. Menschen und Nicht-Menschen bilden nach Latour transhumane Kollektive und distribuieren ihre individuellen Befähigungen und das in ihnen eingeschriebene Wissen in einem Kontinuum, in dem sich Subjekt und Objekt immer weiter aneinander annähern. [11] Da hier dem Menschen zwar per se keine privilegierte Stellung zugesprochen wird, Latours Denken jedoch, wie im Folgenden zu erkennen sein wird, von einer grundlegenden Spaltung als sich näherndes Kontinuum zwischen Subjekt und Objekt ausgeht, verhandle ich dessen Position entlang seiner 1999 erschienen Monografie Pandora’s Hope als Transhumanismus.
Als Vergleichspol einer nicht-menschlichen Agency ziehe ich die amerikanische Physikerin und Techno-Philosophin Karen Barad entlang ihres posthumanistischen Ansatzes eines agentiellen Realismus heran. Wo Latour die Handlungsmacht noch als Delegation begreift, beruft sich Barad „auf Fragen der Streuung“ [12] angesichts quantenmechanischer Phänomene, die eine Unterscheidung zwischen „Erkennendem und Erkanntem“ [13] grundsätzlich in Frage stellen, aus der wir in einem klassischen physikalischen Weltverständnis noch Erkenntnis gewannen. Statt einer Subjekt-Objekt-Spaltung versucht Barad eine Ontologie des Werdens zu entwickeln, in der Materie eine Handlungsbefähigung und Leistung zugesprochen wird, Phänomene zu erzeugen, zu stabilisieren und stetig zu rekonfigurieren. [14] Da Agency bei Barad kein Attribuierung darstellt, sondern eine handlungsorientierte Dynamik, nimmt ihr Posthumanismus im vorliegenden Vergleich die zweite Position ein, mittels derer ich mich der medientheoretische Frage nach der Handlungsmacht technischer Medien nähern werde. [15]
Wenngleich auf die grundlegenden Ontologien der beiden vorgestellten Positionen eingegangen wird, liegt ein besonderer Fokus nicht etwa auf Fragen der klassischen Philosophie, wie sie in der Subjekt-Objekt-Spaltung als solche zu Tage tritt, sondern auf ihrer Relevanz für eine Medienwissenschaft technischer Medien, die sich der Eigengesetzmäßigkeit des Technologischen (als techno-logos) widmet. Nicht zuletzt entfaltet die Bezugnahme auf die Physik der Quanten für die Medienwissenschaft dort Brisanz, wo sich technische Medien nicht mehr auf dem Radar menschlicher Zeugenschaft valide zu erkennen geben. Ganz in Bohr Sinne jedoch, beschreibt sie sich entlang der Begrifflichkeit observabler Physik. Aus diesem Grund mündet der vorliegende Vergleich in erster Instanz auf die Fallstricke der Epistemologien technischer Medien im Trans- und Posthumanismus, nicht etwa auf jenen des Menschen, oder des Menschlichen.
2. Zur Handlungsmacht technischer Medien. Ein medienepistemologischer Vergleich
2.1 Die Handlungsmacht technischer Medien im Transhumanismus
16 Kittler, Friedrich: Die Welt des Symbolischen – eine Welt der Maschine. In: ders.: Draculas Vermächtnis. Technische Schriften. Leipzig: Reclam, 1993. S. 76 – 77.
17 Kittler, 1993. S. 77.
18 McLuhan, Marshall: Understanding Media. The Extensions of Man. Cambridge; London: MIT Press, 1994. [1964] S. 45.
19 McLuhan, 1994. S. 68.
20 Vgl. Haraway, Donna: A Cyborg Manifesto: Science, Technology, and Socialist-Feminism in the Late Twentieth Century. In: dies.: Simians, Cyborgs, and Women. The Reinvention of Nature. New York: Routledge, 1991. [1984] S. 154: “[A] cyborg world might be about lived social and bodily realities in which people are not afraid of their joint kinship with animals and machines, not afraid of […] partial identities[.]”
21 Vgl. Latour, 1999. S. 191.
22 Anm.: Latours Differenzierung von Technik und Technologie ist stellenweise unscharf, wenn er Technologie als „upgraded version“ (Latour, 1999. S. 191) einer Technik im „modus operandi“ (ebd. S. 192, sowie 209) beschreibt. Vielmehr verfolgt Latour eine Strategie, das Technische als Handlungsweise und nicht als Objekt zu fassen: „Technical Is a Good Adjective, Technqiue a Lousy Noun“ (ebd. S. 190.)
23 Vgl. Latour, 1999. S. 193.
Der Transhumanismus macht sich zur Aufgabe, ein System zwischen Mensch und Nicht-Mensch, Subjekt und Objekt, Sein und Materie zu entwerfen, deren Beziehung von gegenseitigem Austausch geprägt ist. Wenn Kittler anmerkt,
[d]aß Kleinkinder im Unterschied zu jungen Schimpansen ihr Spiegelbild mit identifikatorischem Jubel erkennen/verkennen, öffnet [dies] nur ein Loch, das Platz schafft für […] Kybernetik[,] [16]
beschreibt dieses kybernetische Verhältnis einen Transhumanismus, der wesensunterschiedliche Formen von Mensch und Nicht-Mensch voraussetzt. Dort, wo menschliches Subjekt und nicht-menschliches Objekt als einzelne Entitäten aneinandergekoppelt werden, bilden sie im Transhumanismus eine neue, eine verbundene Wesenseinheit. Eine dieser neuen Entitäten weist sich beispielshaft an der populären transhumanen Figur des Cyborgs aus, die ein Verschmelzen von Mensch und Technik vollführt. Damit avancierte der Cyborg zur programmatischen Figur eines Transhumanismus, in dem das Menschliche und Nicht-Menschliche zusammenfinden. Ohne zugrundeliegender Ausdifferen-zierung der Pole Mensch und Nicht-Mensch, so werde ich auch im Folgenden argumenten, könnte diese Figur keine neue Wesensform annehmen, die der tradierten Subjektform nicht ganz unähnlich ist. Der Transhumanismus will damit dezidiert keine vollständige Überwindung der zugrundliegenden Wesensunterschiede von Mensch/Nicht-Mensch, sondern deren Amalgamierung als neue transhumane Entität hervorbringen.
Inwiefern diese neue Subjektform eine wirklich Neue darstellt, oder ob sie sich einer eher menschlichen (anthropozentrischen), oder technologischen (technozentrischen) Tendenz ausweist, divergiert in der transhumanistischen Theoriebildung entlang ihrer Vertreter_Innen. Zuweilen auch unter umgekehrten Vorzeichen, „daß Menschen die Informationsmaschinen nicht erfunden haben […], sondern sehr umgekehrt ihre Subjekte sind.“ [17] Die transhumanistische Relation zwischen Mensch und technischem Apparat verweist dabei auf einen vieldiskutierten Topos medientheoretischer Überlegungen. In Marshall McLuhans Monografie Understanding Media mit dem programmatischen Untertitel The Extensions of Man wies McLuhan, der sich durch die Veröffentlichung seiner Schrift 1964 als einer der bedeutsamsten Medientheoretiker des 20. Jahrhunderts etablierende Pädagoge, auf den prothetischen Charakter neuer Techniken hin: „Any invention or technology is an extension or self-amputation of our physical bodies[.]“ [18] McLuhan zufolge sind Medien als Erweiterungen des menschlichen Körpers, vornehmlich seiner Sinnesorgane, zu verstehen. Doch mitunter gilt eine weitere Forderung, die McLuhan für Medien als Teile des menschlichen Körpers vornimmt: So spricht er sich nicht nur für die körperliche Integration des Technischen am Menschen aus, sondern ebenso für eine psychosoziale, kulturelle Integration, die den Erkenntnisapparat der Medien erweitert:
As long as we adopt the Narcissus attitude of regarding the extensions of our own bodies as really out there and […] independent of us, we will meet all technolog[y] with […] collapse. [19]
Die Inkorporation des Technischen, wie sie bei McLuhan gedacht wird, kann als Grundgerüst einer transhumanistischen Kritik, wie sie Latour vollzieht, verstanden werden. Doch wo McLuhan noch einen menschlichen Körper im Sinn hat, den mitunter auch andere Transhumanistinnen aufgreifen werden, wie etwa Donna Haraway, die McLuhans prothetische Theorie hinsichtlich queer-feministischer Handlungsmacht um den weiblichen Körper als Cyborg ausweiten wird, [20] möchte Latour vielmehr eine Soziologie unter Einbezug des Nicht-Menschlichen entwickeln. Techniken sind bei Latour nicht mehr bloß menschlichen Akteuren im Sinne einer Kulturtechnik vorbehalten, sondern auch für wesensunterschiedliche Technik, Technologie und nicht-menschliche Akteure als Program-me eingeschrieben und verfügbar. [21] Damit spricht sich Latour für eine Handlungsmacht des Technischen durch Technik aus, die eine soziologische Wende vollziehen vermag. [22] Bei Latour ist Technik nicht mehr bloß Prothese des menschlichen Körpers, sondern im Stande, sich selbst und andere (non-)humane Agenten im gleichen Maße zu verändern und mit diesen Kollektive zu bilden. [23] Dabei stoßen wir bereits auf unseren ersten Verdacht dieser Untersuchung, wenn wir im Folgenden sehen, dass Latours Erweiterung einer Soziologie zugunsten der Integration non-humaner Mitspieler, zurück auf das anthropozentrische Wesen der Soziologie fällt.
2.2 Mechanische Delegationen entlang Latours Hoffnung der Pandora
2.2.1 Akteure und Aktanten
24 Latour, 1999. S. 180: “[W]e realize that neither subject nor object (nor their goals) is fixed. When the propositions are articulated, they join into a new proposition. They become ‘some, something’ else.”
25 Vgl. Latour, 1999. S. 120.
26 Vgl. Latour, 1999. S. 122.
27 Vgl. Latour, 1999. S. 126.
28 Latour, 1999. S. 181.
29 Vgl. Latour, 1999. S. 190.
30 Latour, 1999. S. 178.
31 Latour, 1999. S. 182.
32 Vgl. Latour, 1999. S. 198: „Humans, […] have extended the social relations to other actants with which, with whom, they have swapped many properties, and with which, with whom, they form collectives.“
33 Latour, 1999. S. 189.
34 Latour, 1999. S. 180.
Die Dichotomie zwischen Menschlichem und Nicht-Menschlichem versucht Latour zugunsten einer „Symmetrie“ von Agenten als Kollektive handelnder Akteure und Aktanten zu überwinden. [24] Doch Akteure und Aktanten vereinen sich durch unterschiedliche Qualitäten zum Kollektiv. Die impulsgebenden Kompetenzen einer Agency werden dabei von Akteuren ausgeübt. Als Akteure begreift Latour jene Entitäten, die einer Handlung ursächlich sind. [25] Dabei besteht das Kriterium, dass der Akteur nicht zu seiner Agency ermächtigt wurde, sondern zur eigenständigen, zielorientierten Handlung im Stande ist. Die Autorisierungsgewalt seiner Handlungsmacht ist dem Akteur immanent. Doch um die Zuschreibung eines vollwertigen Akteurs zu erlangen, bedarf die Entität auch der Kompetenz, andere Akteure und Aktanten durch seine Handlungsweise zu manipulieren. [26] Dabei wirken sie zugunsten ihres Handlungsziel auf andere Mitglieder des Kollektivs ein. Akteure bestimmen also das Kollektiv entscheidend durch eine zielorientierte Handlungsweise mit. Im Handlungsvollzug definieren sich Akteure und begründen ihre Legitimierung im Kollektiv. [27] Insofern kommt nach Latour den Akteuren eine autonome Agency ihrer Tätigkeit im Vollzug zu. Das geschieht jedoch unter dem Vorzeichen, sich in einem Netzwerk von anderen Akteuren zu bewegen, dessen Handlungsweisen sie ausgesetzt sind. Damit gestalten Kollektive ein Netzwerk unterschiedlicher Bezugnahmen und gegenseitiger, zielorientierter Manipulation. Somit gestaltet sich ein Netzwerk, in dem sich transhumane Kollektive durch gegenseitige Regelung, Einflussnahme und Rückkopplung verknüpfen. Es handelt sich um eine transhumane, kybernetische Idee von Handlungsmacht.
Aktanten hingegen sind jene Entitäten, die innerhalb eines Netzwerks oder Kollektivs durch Akteure zur Handlung „mobilisiert“ [28] bzw. ermächtigt werden. Als Delegaten handeln Aktanten unter der Handlungsanweisung ihrer Akteure. [29] Diese Mobilisierung von Handlung kann als algorithmisches „Handlungsprogramm“, [30] also einer ganzen Kettung von Handlungen, zu einer „Assoziation von Aktanten“ [31] kulminieren. Doch als Verbund assoziierter Handlungen können Assoziationen von Aktanten situativ zum Akteur des Kollektivs avancieren. [32] In ihrer Kollektivierung und Verkettung steigen sie also im hierarchischen System zum Akteur auf. Zugleich definiert sich die situative Wesensbeschreibung und hierarchische Zuordnung eines Agenten als Aktant aus seiner Handlungsfunktion im Kollektiv. Sie unterliegt dabei einem stetigen Wandel hinsichtlich ihrer andelegierten technischen Handlungsweisen:
„The relative shapes of actants and their ontological status may be completely reshuffled – techniques act as shape-changers[.]” [33]
Der wichtigste Punkt und gleichzeitige Gemeinsamkeit von Akteuren und Aktanten besteht jedoch darin, dass sie als Agenten keine Unterscheidung menschlichen oder nicht-menschlichen Ursprungs vornehmen: „Agents can be human or […] nonhuman, and each have goals[.]“ [34] Sowohl Menschen, als auch Nicht-Menschen bilden gemeinsam Kollektive, für die sich Latour der Figur eines Transhumanismus bedient. Sie ist von gegenseitiger Delegation und Austausch geprägt. Welche Rolle das transhumane Kollektiv in seiner Agency einnimmt, soll im folgenden Abschnitt erläutert werden.
2.2.2 Transhumane Kollektive
35 Latour, 1999. S. 307.
36 Latour, 1999. S. 174.
37 Vgl. Latour, 1999. S. 303: „Later its [the agent’s] competence* [Herv. i. O.] is deduced and made part of an institution.”
38 Latour, 1999. S. 196. 39 Latour, 1999. S. 196.
40 Latour, 1999. S. 193.
41 Latour, 1999. S. 303.
42 Vgl. Latour, 1999. S. 178: „The answer […] depends on what mediation* [Herv. i. O.] means.”
43 Latour, 1999. S. 178.
44 Latour, 1999. S. 180.
45 Vgl. Latour, 1999. S. 183.
46 Vgl. Latour, 1999. S. 185.
47 Vgl. Latour, 1999. S. 178: „Agents can be human or […] nonhuman, each can have their goals[.]”
48 Latour, 1999. S. 178.
49 Vgl. Latour, 1999. S. 179.
50 Latour, 1999. S. 179.
51 Latour, 1999. S. 182.
52 Vgl. Latour, 1999. S. 181: „Of course, in most tool stories there is not one but two or several subprograms* [Herv. i. O.] nested in one another.”
53 Latour, 1999. S. 179.
54 Latour, 1999. S. 183.
55 Latour, 1999. S. 183.
56 Latour, 1999. S. 183.
57 Latour, 1999. S. 183.
58 Latour, 1999. S. 189.
59 Vgl. Latour, 1999. S. 186: „But technqiues modify the matter of our expression, not only its form.”
60 Latour, 1999. S. 189.
61 Vgl. Latour, 1999. S. 153: “[M]ediation* [Herv. i. O.], that is, […] an occurrence that is neither […] a cause nor […] a consequence, neither completely a means nor […] an end.”
62 Vgl. Latour, 1999. S. 307: „[A mediation] or an actor* [Herv. i. O.] […] cannot be exactly defined by its input and its output. […] [A] mediation always exceeds its condition.”
63 Kittler, Friedrich: Grammophon, Film, Typewriter. Berlin: Brinkmann und Bose, 1986. S. 207.
64 Kittler, 1986. S. 32.
65 Anm.: Hier wird die Unterscheidung zwischen Technischem und Technologischem von Bedeutung, deren Ausdifferenzierung uns Latour in seiner Theorie schuldig bleibt. In eigner Sache definiere ich das Technologische unter jenen Voraussetzungen, die über die (Kultur-)Technik hinausgehen, da das Technologische entlang seiner eigenen materiell-logischen Bedingungen im Sinne eines techno-logos in Vollzug gerät. Das Technische hingegen macht in ihrer Konzeption von der klassischen Newtonschen Physik Gebrauch und unterliegt keiner formalen Eigenlogik.
66 Kittler, 1986. S. 354.
67 Kittler, 1986. S. 279.
68 Latour, 1999. S. 304. 69 Latour, 1999. S. 308.
70 Latour, 1999. S. 197. [Übersetzung d. V.]
71 Vgl. Latour, 1999. S. 198.
Wir haben gesehen, dass transhumane Kollektive aus menschlichen und nicht-menschlichen Akteuren und Aktanten bestehen. Diesen kommen unterschiedliche Kompetenzen und situative Funktionen in ihrer Handlungsmacht zu. Als Verbund sind Akteure dazu privilegiert, Regelungen des Kollektivs mittels Delegation und Manipulation vorzunehmen. Nun stellen sich jedoch drei Fragen: Erstens, welche Agency ein transhumanes Kollektiv innehat. Zweitens, wie sich diese Agency des transhumanen Kollektivs von der gewöhnlich den Menschen zugesprochenen Handlungsmacht unterscheidet. Und drittens, welche Konsequenzen sich für das Technische aus dem transhumanen Kollektiv ergeben.
Ausgehend von seinem Hintergrund als Soziologe, versucht Latour den Begriff der Institution als Begriff von „laws, peolpe, and customs that continue in time“ [35] umzudeuten, um nicht-menschliche Akteure unter dem Vorzeichen des Kollektivs in die Funktion der Institution einzubeziehen:
We may then be able, finally, to understand these nonhumans, which are, […] full-ledged actors in our collective: we may understand […] why we do not live in a society gazing out at a natural world or in a natural world that includes society as one of ist components. [36]
Dabei kommen transhumanen Kollektiven, also dem Verbund der Handlungsmacht transhumaner Kollektive aus Akteuren und Agenten, die Qualität einer Institutionalisierung im soziologischen Sinne zu. [37] Als Institutionalisierung fallen Mensch und Nicht-Mensch zurück auf ihre soziologische Dimension. Die Dringlichkeit für die Erweiterung des klassischen Gesellschaftsbegriffs sieht Latour in der zunehmenden Annäherung von Mensch und Nicht-Mensch als „deepened intimacy, a more intricate mesh, between the two.“ [38]
Latour plädiert also einerseits für eine zunehmende Ununterscheidbarkeit von menschlichen und nicht-menschlichen Akteuren, die den Verzicht der althergebrachten Subjekt-Objekt-Spaltung bedarf. Andererseits adressiert „[b]etween the two“ [39] das grundlegende Problem der Spaltung, das Latour eigentlich aufzulösen versucht: Whereas objects could only face out at the subjects – and vice versa – nonhumans may be folded into humans through […] translation, articulation, delegation[.] [40] Hier wird deutlich, dass Latour trotz seiner Bemühung, nicht-menschliche Akteure zugunsten einer Überwindung der Subjekt/Objekt-Spaltung zu berücksichtigen, noch immer an einem Dualismus menschlicher und nicht-menschlicher Entitäten festhält, wenn er sich argumentativ an der Figur zweier uneinheitlicher Wesenszüge von Mensch und Nicht-Mensch bedient. Die Handlungsmacht transhumaner Kollektive wird also trotz Einbezug nicht-menschlicher Akteure unter dem Vorzeichen eines Dualismus gedacht, wenn sich die Unterscheidung zwischen den Wesensarten in soziologischer Denkart artikuliert. Nicht zuletzt verwendet Latour seine als wesensneutral angelegte Kennzeichnung von Akteur/Aktant immer wieder unscharf, wenn er das implizierte Nicht-Menschliche zum Aktanten degradiert: „the word ‚actant‘, borrowed from semiotics, is sometimes used to include nonhumans* [Anm. i. O.] in the definition.“ [41] Zwar geschieht dies zum Ziel, die Inklusion des Nicht-Menschlichen in seine Argumentation aufzunehmen, doch solange Latour an einer ontologischen Differenz von Mensch und Nicht-Mensch auf der sprachlich-argumentativen Ebene festhält, reproduziert er jene Spaltung, die er zu überwinden versucht.
Der Verdacht der reproduzierten Differenzierung von Mensch/Nicht-Mensch zeigt sich ebenso in der von Latour konzipierten Handlungsmacht der Kollektive. Handlungen transhumaner Kollektive müssen hier immer erst vermittelt werden, um in Erscheinung zu treten. [42] Kollektive repräsentieren sich dabei durch vier Bedeutungen technischer Vermittlung: „Interferenz“, [43] „Komposition“, [44] Black Boxes, [45] Artikulation. [46] Gemeinsam ist diesen Vermittlungsformen, dass sie den Agenten ein zielorientiertes Handeln attestieren. [47] Ihre Bedeutung wird im Folgenden entlang Latours Argumentation vorgestellt. Unter Interferenz versteht Latour die Möglichkeit der Agenten, ihr Ziel auch durch Handlungsprogramme“ [48] anderer Agenten zu verfolgen. [49] Dabei vollziehen die desparaten Agenten eine Verbindung untereinander, die vorher nicht existent war:
„I used [goals] translation to mean displacement, drift, invention, mediation, the creation of a link that did not exist before and that to some degree modifies the original two.“ [50]
Die Agency vermittelt sich also in der Möglichkeit der Verknüpfung zweier verschiedener Agenten zu einer dritten agentiellen Instanz. Als Komposition versteht Latour die Verkettung mehrerer Agenten zu einer handlungsorientierten „Assoziierung von Aktanten“, [51] die untereinander Kompetenzen, wie Techniken und Wissen austauschen. [52] In diesen Assoziierungen können für Kollektive auch gänzlich neue Ziele entstehen, die es für sie zu verfolgen gilt. Diese Dynaik der Zielsetzung beschreibt Latour als „goal translation[.]“ [53] Als dritte Vermittlungsform nennt Latour die Möglichkeit von Netzwerken, auf vergangene Epistemologie zurückzugreifen und sich diese nutzbar zu machen, wenn er von „Folding of Time and Space“ [54] spricht. Die Vermittlung von transhumanen Kollektiven ist nach Latour deshalb phänomenologisch niederschwellig, da sie sich zuweilen mittels „blackboxing“ [55] unter Ausschluss externer Agenten vollzieht: „Deadlus’s maze shrouds itsel in secrecy. Can we open the labyrinth and count what is inside?“ [56] Beim Versuch ein als Black Box getarntes Kollektiv zu öffnen, können sich neue Kollektive formieren: „A shift has occured between actant and mediator.“ [57] Black Boxes stellen für Latour letztlich eine Brücke dar, die Artikulation vergangener Agenten zu vergegenwärtigen: „An objects stands in for an actor and creates an asymmetry between absent makers and occasional users.“ [58] Die Fähigkeit vergangene Agenten mit neuer Signifikanz, für neue Agenten nutzbar zu machen, stellt die vierte Vermittlungsform dar, die Latour ausweist. [59]
Wie wir gesehen haben, vermitteln sich transhumane Kollektive nach Latour entlang ihrer Verknüpfung untereinander. „I live in the midst of technical delegates; I am folded into nonhumans[,]” [60] beschreibt Latour die situative Lage inmitten transhumaner Kollektive. Die Evozierung einer notwendigen Vermittlung des Technischen zeigt, dass sich die Handlungsmacht transhumaner Kollektive, und ganz entscheidend des Nicht-Menschlichen für Latour als soziologische Black Box begreift.61 Die Ermächtigung des Technischen zum Handelnden ist in der Idee verankert, dass „Input“ und „Output“ in diesen Systemen keine nachvollziehbaren Handlungen vollführen. [62] Diese Nachvollziehbarkeit wird noch immer am menschlichen Maß angesetzt, denn gerade für hochtechnische Systeme, wie der Computation gilt, dass sie ihre „einzelne[n] Subroutinen“ [63] in deterministischer Diskretion vollführt. In Turings Universaler Rechenmaschine geschieht dies sogar noch in ihrer digitalen Schriftführung überdeutlich auf dem angedachten endlosen „Papierband, das zugleich ihr Programm und ihr Datenmaterial, ihren Input und ihren Output darstellt.“ [64] Latours Agency als Verkettung von Handlungspraktiken menschlicher und nicht-menschlicher Entitäten geschieht im Technologischen [65] als berechenbares Subprogramm, in dem „Denken […] vollständig in Rechnen überführt [wird]“ [66] und das „von Ingenieuren in diversen Maschinen nachgebaut werden [kann].“ [67] Wenn Latours transhumane Kollektive also einen Vermittlungsbegriff bedürfen, der sich an den Gedanken undurchdringbarer Subprogramme orientiert, geschieht dies unter einem anthropozentrischen Vorzeichen. Diese wird seinem Anliegen, eine gleichwertige Rolle menschlicher und nicht-menschlicher Akteure im transhumanen Kollektiv zu entwickeln, nur bedingt gerecht. Sie funktioniert jedoch nach seinem Anliegen, wo er eine Integration des Nicht-Menschlichen in die sehr wohl menschliche Systematik der Soziologie überführt.
Erkenntlich wird dabei, dass Latours Notwendigkeit einer phänomenologischen Vermittlung ihren Ursprung an einer soziologischen Tradition der Repräsentation findet: „Its [the collective‘s] slogan could be ‚no realtity wihout representation.‘“ [68] Latours Repräsentationsbegriff verweist auf menschliche Gesellschaftssysteme unter der Integration des vermeintlich Technischen in seinem Begriff des transhumanen Kollektivs. Das Insistieren auf zielorientiertes Handeln spräche für Kollektive als Institutionen, wie wir sie aus den anthropozentrischen Gesellschaftssystemen kennen. Wie Latour erklärt, hat das Nicht-Menschliche nur „in der Differenz des Paares ‚Menschlich-Nichtmenschlich‘ und der Subjekt-Objekt Dichotomie“ [69] Bedeutung. Dabei ist Latours Vorhaben vor allem in Abgrenzung zu einer Soziologie zu lesen, die „unfähig ist zu erklären, warum Artefakte mit uns in Beziehung treten, warum wir so insistent […] Nicht-Menschen sozialisieren.“ [70] Latours Agenda besteht also vor allem darin, dem Sozialkonstruktivismus entgegenzutreten, unter dem nicht-menschliche Akteure als soziale Konstruktion auftreten. [71] Für die Handlungsmacht des Technischen hingegen, bedeutet dies, auf ihre menschliche Vermittlung reduziert zu werden.
2.2.3 Handlungsmacht als Kontinuum
72 Latour, 1999. S: 200.
73 Vgl. Latour, 1999. S. 214: „Even the shape of humans, our very body, is composed to a great extent of sociotechnical negotiations and artifacts. To conceive humanity and technology as polar opposites is, in effect, to wish away humanity: we are sociotechnical animals, and each human interaction is sociotechnical. We are never limited to social ties. We are never faced only with objects.”
74 Latour, 1999. S. 214.
75 Latour, 1999. S. 281.
76 Vgl. Latour, 1999. S. 197: „In order to take account of this symmetry between humans and nonhumans, on the one hand, and this continuity between traditional and modern collectives, on the other, social theory must be somewhat modified.”
77 Latour, 1999. S. 200.
78 Vgl. Latour, 1999. S. 201.
79 Ernst, Wolfgang: Gleichursprünglichkeit: Zeitwesen und Zeitgegebenheit von Medien. Berlin: Kadmos, 2012. S. 27.
80 Vgl. Ernst, 2012. S. 291: „Während die Operation mit Symbolen als Definition von Kulturtechniken bislang ganz und gar den Menschen oblag, vermögen Medienmaschinen (definiert als System, das Input, Verarbeitung und Output von Signalen hintereinanderschaltet) Ereignisse nach eigenem Recht zu zeitigen.“
81 Vgl. Ernst, 2012. S. 321: „Je mehr Störungen, Stockungen und Diskontinuitäten es [das Medium] jedoch evoziert, desto insistenter macht es sich damit bewußt.“
82 Kittler, Friedrich: Signal—Rausch—Abstand. In: Gumbrecht, Hans Ulrich; Pfeiffer, K. Ludwig [Hrsg.]: Materialität der Kommunikation. Frankfurt/Main: Suhrkamp, 1988. S. 342 – 359.
83 Vgl. Latour, 1999. S. 201, Abb. 6.7.
84 Kittler, 1988. S. 348.
85 Ernst, 2012. S. 358.
86 Ernst, 2012. S. 26.
87 Turing, Alan M.: On Computable Numbers, With an Application to the Entscheidungsproblem. In: Proceedings of the London Mathematical Society, Bd. s2-42, Ausgabe 1. London, 1937. S. 250. https://doi.org/10.1112/plms/s2-42.1.230 zuletzt aufgerufen 26.02.2020, 18:17 Uhr.
88 Vgl. Turing, 1937. S. 249.
Wie wir in der Ausdifferenzierung von Akteuren und Aktanten gesehen haben, ist Latour jedoch nicht lediglich als semantische Umbenennung von Subjekt/Objekt inMensch/Nicht-Mensch zu lesen. Im Gegenteil soll die Verknüpfung menschlicher und nicht-menschlicher Entitäten eine gewollte semantische Verwirrung der beiden ermöglichen: „the confusion of humans and nonhumans is not only our past but our future as well.“ [72] Latours Absicht besteht also wider seiner Aussage, die Subjekt-Objekt-Spaltung zu überwinden vielmehr darin, die soziotechnische Dimension einer Gesellschaft zu adressieren, die es mit mehr als bloßen technischen Artefakten in ihrer gesellschaftlichen Realität zu tun hat. [73] Insofern liegt bei Latour die Handlungsmacht transhumaner Kollektive in ihrer Konstellation innerhalb der menschlichen Gesellschaftsrealität vor, die sich immer erst medial vermitteln muss und nicht jenseits eines Humanismus zu verorten ist: „Objectivity and subjectivity are not opposed, they grow together, and they do so irreversibly.“ [74] Handelt es sich bei Latours Transhumanismus also vielmehr um einen Humanismus durch Technik?
Für das Technische bedeutet Latour These, sich weder in der Rolle eines Objekts wiederzufinden, noch als autonomes Handlungssubjekt in Erscheinung zu treten: „there is no object, no subject, no contradiction, no Aufhebung [sic; Herv. i. O.]“ [75] Es kann stattdessen nur noch in der Verbindung zum Menschen gedacht werden, mit dem es Kollektive eingeht. In der transhumanistischen Figur kommt dem Technischen also eine Rolle der Teilhabe zu, über die sie nicht avancieren, oder die sie unterschreiten kann. Der Einbezug einer Gesellschaftsrealität, in der Menschen und Nicht-Menschen als Kollektiv miteinander verknüpft sind, verortet sich auf einer kontinuierlichen Annäherung der beiden. Hieraus lässt sich eine paradoxe Differenzierung innerhalb der transhumanistischen Verknüpfungsfigur erkennen: Bei Latour fungieren Mensch und Nicht-Mensch wie Zahnräder in einem mechanischen Weltbild, die einerseits in ihrer Zielorientierung aufeinander angewiesen sind, andererseits durch ihr Handeln das gesamte mechanische Werk beeinflussen können. In Ablehnung eines Fortschrittsgedankens, der, so Latour, der gegenseitigen Beziehungen von (nicht-)menschlichen Akteuren nicht gerecht wird, denkt er die Realisierung des transhumanen Kollektivs als historische Kontinuität, die sich als moderne Gesellschaft äußert. [76] Die evozierte Kontinuität als „an entirely different mechanism [that] makes it tick” [77] beruht auf dem Austausch spezifischer Eigenschaften der Akteure, die in einer linearen Zeitordnung immer weiter zunimmt. [78] Zuletzt bleibt auch die Eigenzeitlichkeit des Technischen als „Medienzeit“ [79] bei Latour zugunsten einer kontinuierlichen Akkumulationszeit unberücksichtigt. [80] Vielmehr ist die Umstrukturierung soziologischer, und damit eben auch immer menschlicher Bezugnahmen für Latour von Interesse, die eine techno-logische Handlungsmacht des Nicht-Menschlichen vernachlässigt.
Denn das Wesen des Technischen zeigt sich doch gerade in seiner „Diskontinuität“, wenn es sich durch seine materielle Realität artikuliert. [81] „Darin liegen die Schwierigkeiten eines Materialismus, der wie bei Marx auf dem gleichzeitig aufgestellten Gesetz der Energiekonstanz beruhte, angesichts der zweiten industriellen Revolution[,]“ [82] erklärte Kittler in Bezug zur Diskontinuität technischer Medien. Ein Kontinuum zwischen Menschen und Nicht-Menschen entlang der von Latour aufgezeichneten Annäherungskonstanten erreicht keine schlussendliche Verschmelzung. Diese führt Latour auf einen ungewissen Zukunftspunkt, an dem eine akkumulierte Singularität eintritt. [83] Darin gibt sich auch zu erkennen, dass die Artikulation des Nicht-Menschlichen im transhumanen Kollektiv eine unter dem anthropozentrischen Vorzeichen zielgerichtete Epistemologie ist. In einem gleichberechtigten System aus Mensch und Nicht-Mensch würde ein Rauschen ebenso gewolltes Ziel des Technischen sein, wie zielgerichtetes Handeln anthropologischer Dimension. Doch ist bei Latour lediglich letzteres eine Notwendigkeit, Handlungsmacht zu definieren und zu legitimieren. „[B]ei reichlich zehnmal feineren Ohren würden wir die Materie rauschen hören und vermutlich nichts anderes mehr[,]“ [84] spitzt Kittler die Artikulation der Materie zu. Das Technische unterliegt nicht einzig einer kontinuierlichen Zeit als (Zukunfts-)Historiographie der Mensch/Nicht-Mensch-Annäherung, sondern ganz entscheidend „einem Zeitgeschick“, auf das Ernst immer wieder verweist: Den eigenen „Zeitweisen“ in „nonlineare[n] Sprünge[n]“ und „Sackgassen“, [85] „mithin eine[m] Akt der Diskretion, der Diskontinuierung“ [86] jenseits humaner Wahrnehmungsschwellen, oder transhumaner Zielführung.
Würden wir das Latoursche Kontinuum für einen Augenblick eines Gedankenexperiments heranziehen, also fiele die Annährung des Menschlichen und Nicht-Menschlichen eines zukünftigen Tages in eine Singularität zusammen, wirft diese Annahme den Einwand auf, weshalb es gerade computablen Akteuren nicht möglich sein soll, den Zeitpunkt dieser Singularität exakt zu berechnen und dem Kollektiv zu vermitteln. Wie Turing in seinem 1937 erschienenem Aufsatz On Computable Numbers, With an Application to the Entscheidungsproblem bereits das Zeitwesen des Computers begreift, besteht dieses vielmehr in der Diskretisierung, also sequentiellen Partitionierung als Taktung, um eine berechenbare Operation zu vollziehen:
We will also suppose that the number of states of mind which need be taken into account is finite. The reasons for this are of the same character as those which restrict the number of symbols. [87]
Diese arithmetische Funktion der Berechnung ist die Zeitlichkeit rechnender Maschinen. [88] Insofern läuft die Handlungsweise des Rechnens als getaktetes Kontinuum ab. Jedoch, wie wir mit Kittler und Ernst sahen, äußert sich diese sequentielle Zeitlichkeit durch die materielle Realisierung des Nicht-Menschlichen und insbesondere in der Interaktion mit anderen Akteuren, wie es im transhumanen Kollektiv der Fall ist, immer wieder in Stör- und Rauschsignalen als Diskontinuität. Das von Latour vorgeschlagene Kontinuum unterliegt also in ihrer materiellen Realität, sowie im Austausch mit anderen Akteuren einem vielfältigen Verhältnis von Kontingenzen.
Latours Transhumanismus bleibt in einem anthropozentrischen Soziologiebegriff verortet. Die zeitliche Dimension, in der sich die Handlungsmacht technischer Medien im transhumanen Kollektiv entfalten soll, wird der Eigengesetzmäßigkeit nicht-menschlicher Akteure nicht dort gerecht, wo sie bei genauerer Betrachtung keine gleichberechtigte Wesensfunktion gegenüber ihrer humanen Mitspieler einnehmen. Der vorgeschlagene Transhumanismus lässt sich als Gesellschaft undurchdringlicher Handlungsweisen als Black Box lesen, in dem Akteure die Rolle mechanischer Zahnräder einer menschlichen Soziologie einnehmen. Diese Konzeption des Nicht-Menschlichen beruht zum einen auf der zugrundeliegenden Wesenstrennung von Mensch und Nicht-Mensch, als auch der fehlenden Unterscheidung technischer und technologischer Einheiten im Nicht-Menschlichen. Denn gerade im Technologischen, wo mechanische Konfigurationen nicht mehr greifen, sondern ein materieller Eigenwille am Werk ist, kann von einer Soziologie, auch als Metapher, nicht mehr die Rede sein. Die Berücksichtigung dieser Eigenheiten, gerade in Anbetracht der Erkenntnisse im Kleinsten wirkender physikalischer Phänomene, treibt Karen Barad voran, die im Folgenden entlang ihres Posthumanismus diskutiert werden soll.
2.3 Die Handlungsmacht technischer Medien im Posthumanismus
89 Barad, 2012. S. 7.
90 Barad, 2012. S. 7. Hinweis des Übersetzers.
91 Hayles, Katherine N.: How We Became Posthuman. Virtual Bodies in Cybernetics, Literature, and Informatics. Chicago; London: University of Chicago Press, 1999. S. xiii.
92 Hayles, 1999. S. 4.
93 Vgl. Hayles, 2012. S. 84 – 85.; Vgl. Haraway, 1991. S. 152: “Far from signaling a walling off of people from other living beings, cyborgs signal disturbingly and pleasurably tight coupling. Bestiality has a new status in this cycle of marriage exchange.”
94 Haraway, 1991. S. 176.
95 Haraway, 19991. S. 150.
96 Vgl. Hayles, 1999. S. 114: „As […] Haraway has pointed out, cyborgs are simultaneously entities and metaphors, living beings and narrative constructions.“
97 Vgl. Butler, Judith: Bodies that Matter. On the Discursive Limits of “Sex”. New York; London: Routledge, 1993. S. ix: “Theorizing from the ruins of the Logos invites the following question: ‘What about the materiality of the body?’”
98 Barad, 2012. S. 7.
99 Barad, 2012. S. 9; Anm.: Barad erwähnt Latour nicht namentlich, lässt jedoch an ihrer Rekapitulation der Wissenschaftskritik seit den späten 1990er Jahren das Umfeld dieser Akteure erkennen.
100 Barad, 2012. S. 8.
101 Barad, 2012. S. 13.
102 Barad, 2012. S. 12.
103 Barad, 2012. S. 21.
104 Barad, 2012. S. 21.
105 Barad, 2012. S. 11.
106 Vgl. Barad, 2012. S. 18: „eine Rationalität zwischen spezifischen materiellen (Re-)Konfigurationen der Welt, durch die Grenzen, Eigenschaften und Bedeutungen auf unterschiedliche Weise in Kraft gesetzt werden[.]“
107 Vgl. Barad, 2012. S. 17.
„Der Sprache wurde zuviel [sic] Macht eingeräumt[,]“ [89] lässt Karen Barad ihren Aufsatz Agentieller Realismus anklingen. „There is [a] sense in which the only thing that doesn’t seem to matter anymore is matter.“ [90] Die Rolle der Materie wird im posthumanistischen Denken zentral. Zwar generierte der Transhumanismus eine Körperlichkeit entlang des Cyborgs, in dem sich der Mensch als Mensch durch technologische Erweiterung einen neuen Körper formt. Doch verbleibt der transhumanistische Körper in einem menschlichen Repräsentationssystem, „for the enacted and represented bodies are brought into conjunction through the technology that connects them.“ [91] Selbst wenn der transhumanistische Körper durch “nonbiological components” [92] generiert wird, erdet er sich in einem menschlichen Körperbewusstsein, was sich bereits durch die Fähigkeit libidinösen Begehrens bei Haraway abzeichnet. [93] Im Transhumanismus wird die Bezugnahme der Sprache von materieller Bedeutung, wenn Haraway ausführt:
Writing is pre-eminently the technology of cyborgs, etched surfaces of the late twentieth century. Cyborg politics is the struggle for language and the struggle against perfect communication, […] the central dogma of phallogocentrism. […] These are the couplings which make Man and Woman so problematic, subverting the structure of desire[.] [94]
Unter den durchaus divergierenden Vorstellungen eines transhumanen Körpers, fällt dieser aber stets auf seine sprachliche Strukturierung zurück, „for the cyborg as a fiction mapping our social and bodily reality[.]“ [95] Damit ist der Begriff der Materie im Transhumanismus auch immer einer, der sich vielmehr als semiotischer Materialismus begreift, statt als ontische Daseinsweise. [96] Damit machte sich der Cyborgismus zuweilen als Referenzpunkt queer-feministscher Diskursen beliebt, in denen Körper von Bedeutung wurden. [97] Der entscheidende Schritt des Posthumanismus liegt bei Barad darin, der Materie eine Handlungsmacht zuzusprechen, die nicht mehr „zu einer sprachlichen Angelegenheit oder einer anderen Form von kultureller Repräsentation wird.“ [98] Wenngleich Latours Transhumanismus dem „soziale[n] Konstruktivismus […] beträchtliche […] Unzufriedenheit“ [99] entgegenbringt, begreift auch er Materie als der „Kultur abgeleitetes Potential zur Veränderung“, [100] wenn er sie statt in der materiellen Wirklichkeit in der Teilhabe soziologischer Kollektive verortet. Die in der vorangegangenen Untersuchung unter Zuhilfenahme Kittlers und Ernsts vorgestellte materielle Eigenlogik „räumt [Barad hingegen] ihren Anteil als aktiver Teilhaber am Werden der Welt […] ein.“ [101]
Damit entfaltet sich die Handlungsmacht technischer Medien nicht länger auf der Ebene einer kontinuierlichen, „statischen Bezüglichkeit,“ [102] sondern entlang einer agentiellen Realität. In dieser zeigt sich Materie „nicht in Raum und Zeit“ [103] als Vorhandenes, sondern tritt „in der Herstellung der Raumzeit selbst“ [104] zum Vorschein. Materie kommt damit eine „dynamische Kraft“ [105] zu, unter der sie Realität produziert. Sie ist nicht getrennt von den von ihr erzeugten Phänomenen – und kann auch nicht getrennt von diesen untersucht werden. [106] Ganz in Bohrs Sinne ist Materie keine Repräsentation der Sprache, sind technische Medien keine materiell unabhängigen Wesensformen, sondern beziehen sich auf ihre materielle Realisierung und erzeugen aktiv Realität. [107] Um in diesen Registern zu denken, vollzieht Barad ihre Ontologie nicht mehr an der tradierten Mustererkennung einer Spaltung von Subjekt und Objekt. Sie setzt an der ontologischen Differenz von Materie und Bedeutung an, wie sie im Folgenden diskutiert wird.
2.4 Materielle Verschränkungen entlang Barads Agentiellem Realismus
2.4.1 Materie und Bedeutung
108 Barad, 2012. S. 19.
109 Vgl. Barad, 2012. S. 18.
110 Barad, 2012. S. 12.
111 Barad, 2012. S. 41.
112 Barad, 2012. S. 40.
113 Barad, 2012. S. 40.
114 Vgl. Barad, 2012. S. 32: „Diskurs ist kein Synonym für Sprache.“
115 Vgl. Barad, 2012. S. 32: „Der Diskurs ist nicht das, was gesagt wird; er ist das was dasjienige, das gesagt werden kann, einschränkt und ermöglicht.“; Vgl. Foucault, Michel: Archäologie des Wissens. Frankfurt/Main: Suhrkamp, 1981. S. 35: „Auf jeden Fall sind diese Unterteilungen [Literatur, Politik, Wissenschaft]- ob es sich nun um die von uns eingestandenen oder um jene handelt, die den untersuchten Diskursen zeitgenössisch sind - stets selbst reflexive Kategorien, Ordnungsprinzipien, normative Regeln, institutionalisierte Typen: dies sind ihrerseits Diskursfakten, die neben den anderen analysiert zu werden verdienen; sie hatten ganz sicher mit ihnen komplexe Beziehungen, sind aber keine immanenten, autochthonen und allgemein erkennbaren Merkmale davon.“
116 Barad, 2012. S. 32.
117 Barad, 2012. S. 34.
118 Barad, 2012. S. 35.
119 Barad, 2012. S. 36.
120 Vgl. Barad 2012. S. 36: „Sie [die Verstehbarkeit der Welt] ist keine vom menschen abhänge Eigenschaft, sondern ein merkmal der Welt in ihrem jeweiligen Werden.“
121 Barad, 2012. S. 37: „Erkennen bezieht sich nicht auf eine Sicht von oben oder von außerhalb oder gar von einem durch Prothesen verbesserten menschlichen Körper aus. Erkennen ist eine Sache des Intraagierens.“
122 Barad, 2012. S. 19. [Herv. i. O.]
123 Barad, 2012. S. 20. [Herv. i. O.]
124 Vgl. Barad, 2012. S. 29.: „[…] daß Schnitte Teil der Phänomene sind, zu deren Entstehen sie beitragen.“
125 Vgl. Barad, 2012. S. 41.
126 Barad, 2012. S: 67.
127 Barad, 2012. S. 68.
128 Planck, Max: Die Physik im Kampf um die Weltanschauung. Vortrag, gehalten im Harnack-Haus, Berlin-Dahlem, am 06. März 1935. In: ders.; Roos, Hans; Hermann, Armin [Hrsg.]: Vorträge Reden Erinnerungen. Berlin, Heidelberg: Springer, 2001. [1935] S. 124.
129 Planck, 2001. S. 125.
Um die Bedeutungshoheit materieller Entitäten nicht länger in menschliche Hand zu legen, argumentiert Barad für einen Materialitätsbegriff, der auf einer „Unzertrennlichkeit/ Verschränkung“ [108] seiner ontologischen Bedeutung gründet: Die von Materialität spezifisch selbst erzeugten Phänomene sind bei Barad untrennbar von ihrer materiellen Ebene. [109] Materie erzeugt, stabilisiert und verändert Phänomene in einem Strom aus dynamischer „Streuung[.]“ [110] Damit wird Agency zur materiellen Seins-Form nicht-menschlicher Akteure:
Materie [ist] ein intraaktives Werden, das in ihr schrittweises Werden einbezogen und eingefaltet ist. Materie (Materialisierung) ist eine dynamische Artikulation/Konfiguration der Welt. [111]
Während sich die aus dem Transhumanismus entwickelten queer-feministische Positionen noch um eine materielle Ontologie als Konstruktion bemühten, bemerkt Barad, dass sich deren „Materialität auf eine Theorie der Materialisierung menschlicher Körper begrenzt, […] auf die […] Konturen des menschlichen Körpers.“ [112] Die Radikalität der Theorie Barads liegt darin, dass Materie ganz grundlegend in ihrer Wesensform als Werden gedacht wird, „kein Ding, sondern eine Tätigkeit[.]“ [113] Damit kommt der Handlungsmacht nicht-menschlicher Akteure nicht mehr nur eine Teilhabe zu, sondern Materie wird nach Barad zur Handlung selbst.
Aus dieser Position gelingt es Barad, die Deutungshoheit über diskursive Praktiken, worunter sie auch Messen und apparative Techniken versteht, für Materie zu denken. Dies geschieht, indem sie die Definition des Diskurses von der Sprache abkoppelt. [114] Ganz im Sinne Foucaults Diskursbegriff, besteht für Barad ein Diskurs nicht aus dem Gesagten, sondern Artikulierbarem. [115] Es ist also nicht länger die Sprache, die von Bedeutung ist, sondern die Artikulation des Möglichen: Materialität entwickelt ein „Feld von Möglichkeiten“ [116] als Form ihrer Handlungsmacht.
Nun geschieht eine Artikulation des Materiellen nichts zwangsläufig entlang menschlicher Sinneswahrnehmung. Entlang technischer Medien, so Barad, können jedoch Apparate als Diskurspraktiken dienen, da sie die Artikulation des Nicht-Menschlichen durch unsere phänomenologische Wahrnehmung „durch die ‚Objekte‘ und Subjekte‘ entstehen [lassen.]“ [117] So werden technische Medien als „grenzziehende Praktiken“ [118] zur Bedingung, die „fortlaufenden Artikulierungen“ [119] einer materiellen Welt wahrzunehmen. Doch in dieser Rolle verweisen sie auch darauf, dass es grundsätzlich keiner menschlichen Instanz bedarf, dass sich die materielle Welt äußert. [120] Anstelle einer nicht-menschlichen Agency könnte man also auch schlicht von einer Welt sprechen, die sich fortlaufend neu konfiguriert, um neue Kanäle der Artikulierung zu finden und sich fluide in ihren materiellen Möglichkeiten äußert. Technische Medien insbesondere dienen dazu, in ein diskursive Verhältnis mit Materie zu treten, in dem eine Distanzierung in Form einer Subjekt/Objekt-Spaltung evoziert wird.
Für den Menschen bedeutet dies, dass er technischen Medien als jene Apparate nutzbar macht, durch die er diese materiellen Artikulationen empfangen kann. Dezidiert geschieht dies nicht, indem das Medium zur Prothese seines Körpers wird und etwa als Antenne einer sensorisch unterschwelligen Welt dient. [121] Artikulation und Erkenntnis formt sich durch „Intraaktion“ [122] apparativer Praxis mit der materiellen Welt. Intraaaktion als aus sich selbst herausschöpfende Handlungform ist hierbei jene Praxis, die als „agentielle[r] Schnitt“ [123] eine in sich geschlossene materielle Welt durch Distanz erfahrbar macht. [124] Damit liegt die menschliche Handlung nicht außerhalb, sondern dezidiert innerhalb einer intraaktiven Äußerung der Welt. Sie stabilisiert sich lediglich für menschliche Phänomenologie mittels technischer Medien für den Augenblick des agentiellen Schnitts. In unserer apparativen Praxis intraagieren Menschen mit Materie und treten in ein Verhältnis, in dem sie selbst durch Intraaktion eine Verschränkung von Kausalität und Realität vorzunehmen. [125] Gleich wie technische Medien versteht Barad sensor-ische Fähigkeiten des Menschen als apparative Praktiken, die „keine statischen Laboreinrichtungen [sind], sondern eine dynamische Menge von erweiterbaren Praktiken, die schrittweise verfeinert und neu konfiguriert werden“ [126] und damit die Subjekt/Objekt-Spaltung als „Arten von diskursiv-materiellen Praktiken gleichzeitig her[stellt.]“ [127]
Barad wird mit dieser Theorie vor allem den naturwissenschaftlichen Erkenntnissen der Quantenmechanik gerecht, deren Erkenntnisse auf Unschärfe und Unbestimmtheiten münden, wenn Materie Welleneigenschaften im Kleinsten vertritt:
Um so auffallender und peinlicher mußte es berühren, als es sich […] bei immer fortscheitender Verfeinerung und Vervielfältigung der Messungsmethoden, zuerst auf dem Gebiet der Wärmestrahlung, dann bei der Lichtstrahlung und in der Elektronenmechanik herausstellte, daß der beschriebenen klassischen Theorie eine unüberschreitbare objektiv bestimmte Schranke gesetzt ist. […] Nun hat sich gezeigt, daß jede Methode, die Lage eines Elektrons genau zu messen, die genaue Messung der Geschwindigkeit ausschließt, […] nach einem ganz bestimmten angebbaren durch die Größe des elementaren Wirkungsquantums bedingten Gesetz. Ist die Lage des Elektrons absolut genau bekannt, so ist seine Geschwindigkeit völlig unbestimmt, und umgekehrt. [128]
Für die medientheoretische Epistemologie wird der Rückbezug auf die Quantentheorie bei Barad bedeutsam, indem sie den Welle-Teilchen-Dualismus als dynamische Verkettung von Diskretisierung (als Distanzierung) und Kontingenz materieller Agency mit einbezieht. Für technische (Mess-)Medien insbesondere gilt, dass ihre Artikulation entlang einer kontingenten, fortwährend (potentiell endlosen) Zeitlichkeit erfolgen. Zwar liefern Messmedien empirisch verwertbare Zahlen als Daten, jedoch unter dem Vorzeichen, im Momentum des Messens auch der Kontingenz unterworfen zu sein, dessen materielle Artikulation es vermittelt, „um so bedeutender […], je enger und feiner der Kausalnexus ist, der das reale Objekt mit dem Messungsinstrument verknüpft[.]“ [129] Am abschließenden und im kommenden Abschnitt folgenden Beispiel wird gezeigt, wie sich diese materielle Realität als medienästehtische Praxis äußern kann.
2.4.2 Kriemanns Radiogramme als apparatives Beispiel von Intraaktion
130 Parikka, Jussi: The Slow Violence of Radiological Media. / Die schleichende Gewalt radiologischer Medien. In: Kriemann, Susanne; Mertens, Heike (Hrsg.): P(ech) B(lende). Library for Radioactive Afterlife. Leipzig: Spector Books, 2016. S. 106.
131 Parikka, 2016. S. 106.
132 Vgl. Parikka, 2016. 108.
133 Vgl. Parikka, 2016. S. 110: „Rechner sind selbstverständlich Teil dieses Medienverbundes[.]“
134 Parikka, 2016. S. 114.
135 Barad, 2012. S. 97.
136 Barad, 2012. S. 98.
137 Barad, 2012. S. 72.
138 Planck, Max: Das Wesen des Lichts. Vortrag gehalten in der Hauptversammlung der Kaiser-Wilhelm-Gesellschaft am 28. Oktober 1919. Berlin, Heidelberg: Springer, 1920. S. 20.
Die fotografischen Arbeiten der in Erlangen geborenen Künstlerin Susanne Kriemann schöpfen aus Fragen um ein Materialitätsverständnis als dokumentarischer Akteur. In ihrer 2016 zuerst präsentierten Arbeit Library for Radioactive Afterlife lässt Kriemann radioaktives Material zum Protagonisten ihrer Fotografien werden. Das auf photosensitiven Film aufgelegte Uranium (Pechblende) wird hier nicht im Sinne einer apparativen Technik der Röntgenaufnahme benutzt. Beim verwendeten Film handelt es sich nicht um einen Röntgenfilm, der sich durch seine zweiseitige Beschichtung mit Fotoemulsion auszeichnet. Ihre Fotografien sind vielmehr Fotogramme auf klassischem fotografischem Papier, vielmehr Radiogramme als Röntgenbilder, des radioaktiven Materials selbst. Die Strahlung des Gesteins löst die Belichtung der Fotoemulsion in einem verdunkelten Raum selbst aus, während Kriemann die Belichtung entlang einer Testreihe zu bestimmten Zeitpunkten beendet. Wie in den Untertiteln ihrer "B(lende)" angegeben ziehen sich die Belichtungszeiten mitunter über mehrere Monate. Kriemann soll mir hier als medienästhetisches Beispiel dienen, jene Frage zu untersuchen, die Jussi Parrika in der gleichnamigen Publikation Kriemanns stellte: „[Ob] eine kameralose Belichtung zugleich auch eine subjektlose Fotografie“ [130] bedeuten kann. Ich halte die Frage für deshalb geeignet, da sie sich auf unsere Ausgangsfrage der Handlungsmacht technischer Medien rückbezieht. Indem wir Fotografie als apparative und technische Diskurspraxis verhandeln können, stellten wir auch gleichzeitig die Frage nach der Agency technischer Medien in Anbetracht materieller Dynamik, wie sie Barad verfolgt. Wie sieht sie nun aus, die Agency des Materials, des Nicht-Menschlichen?
Die Verschränkung der Frage nach Handlungsmacht (und Handlungssubjekt) wird deutlich, wenn Parikka feststellt, dass die Fotografie selbst aus einer Geschichte radioaktiver Stoffe stammt und damit „Teil der Materialgeschichte der Medientechnologien [ist.]“ [131] Und dies währt bis heute insofern fort, als dass nicht mehr nur radioaktive Substanzen in einer analogen Fotografie zum Trägermaterial verwendet werden, [132] sondern vielmehr auch als dass die apparative (Digital-)Fotografie der Gegenwart in Smartphones jene unter radioaktiven Beiprodukten geschürften seltenen Erden in ihren Halbleitern und Sensoren verbaut, die Kriemann zum Akteur ihrer Analogfotografie werden lässt. [133] Die „Verbildlichung“ [134] der materiellen Eigenschaften auf dem Radiogramm verweist zugleich in Anbracht der Fotografie als Medium des Zeit-Momentums auf die von Barad beschriebene Intraaktion entlang einer dynamischen Diskurspraktik. Der zu messende Augenblick, dessen Belichtungszeitraum Kriemann auf ihren Belichtungen in Tagen anführt, stabilisiert sich für einen diskretisierten Moment in seiner realen, radioaktiven materiellen Artikulation. (Fotografisches) Material zeigt sich hier nicht länger als „passive Oberfläche, die auf die Prägung durch die Kultur wartet,“ [135] sondern agiert als materielle (Re-)Konfiguration, „durch die Grenzen, Eigenschaften und Bedeutungen je auf verschiedene Weise in Kraft gesetzt werden.“ [136] Insofern können wir von Kriemanns Fotografie als Diskurspraktik ohne Mensch denken. Denn letztlich sind auch die von ihr gesetzten Belichtungszeiten als experimentelle Testreihen keine autoritären Zensuren, wenn sie in ihrer Vielzahl vielmehr die materielle Dynamik als dokumentarischen Protagonisten präsentieren, als das wohlgewählten magische Momentum des Fotografen.
Damit wird zugleich die einleitende Frage nach subjektloser Fotografie obsolet, wenn die Kamera zur apparativen Diskurspraktik avanciert, mittels derer „spezifische materielle Konfigurationen oder […] dynamische (Re-)Konfigurationen der Welt, durch die Körper intraaktiv materialisiert werden.“ [137] Eine Fotografie, wie Kriemann sie vorschlägt, wird zur Praktik des Materials selbst, der Material-Werdung, der Materialisierung. Im Momentum der Aufnahme verlässt sie die Frage der Äußerlichkeit der materiellen Welt, wenn das belichtete Material mit dem strahlenden Material zusammenfällt. Insofern ziehe ich die fotografischen Arbeiten Kriemanns als medienästhetisches Beispiel eines medienepistemologischen Problems heran, da es ihr gelingt, ein technisches Medium wie das der Fotografie auf ihre materielle Grundkonfiguration zurückzuführen. Denn wenngleich Fotografie, wie jedes technische Medium, durch Menschenhand geht, artikuliert sich darin immer auch, oder trotzdem, etwas Nicht-Menschliches, ganz im Sinne Plancks eine „innere Katastrophe, welche die Elektronen aus ihren ursprünglichen Bahnen in andere, stabilere […] Bahnen wirft[.]“ [138]
3. Schlussbetrachtung: What’s the matter?
139 Ingold, Tim: Materials against materiality. In: Archaeological Dialogues, Bd. 4, Cambridge University Press, 2007. doi:10.1017/S1380203807002127 zuletzt aufgerufen 05.03.2020, 10:35 Uhr. S. 4.
140 Barad, 2012. S. 100.
141 Bohr, 1985. S. 38.
In den behandelten Abschnitten wurden zwei Positionen vorgestellt, die sich durch ihre Konzeption von Handlungsmacht technischer Medien grundsätzlich unterscheiden. Die eine weist Nicht-Menschlichen Akteuren die Rolle eines Zahnrads im transhumanistischen Gebtriebe zu, die andere versucht die Unterscheidung Nicht-Mensch/Mensch gänzlich zugunsten eines Materialitätsbegriffs aufzugeben, der sich als dynamische Modifizierung der Welt äußert. Während sich Latour vielmehr um soziologische Verteilungsweisen von Handlungsmacht (als Netzwerk) sorgt, versucht Barad an der Materie selbst anzusetzen, die unsere (soziale/technische) Realität nicht länger konstruiert, sondern kontingent rekonfiguriert. Für unsere Ausgangsfrage nach der Handlungsmacht technischer Medien ziehe ich in Anbetracht des Vergleichs der beiden Positionen den Schluss, dass sich die Frage nach Agency nicht ohne weiteres auf Nicht-Menschliche Akteure anwenden lässt, möchte man nicht in die Fallstricke transhumanistischer Theorie tappen. Agency impliziert – wie wir bei Latour sahen – dass Agenten eine Zielorientierung zugrunde liegt. Agency kann in Anbetracht Barads Ansätzen einer dynamischen Performativität von Materie nicht aufrechterhalten werden, da die Materie selbst kein Ziel verfolgt, sondern Möglichkeiten erzeugt. Agency würde zu kurz greifen, um der materiellen Realität gerecht zu werden, da Agency bereits die Vollendung eines agentiellen Schnitts voraussetzt.
Wie Tim Ingold in seinem 2007 erschienenem Aufsatz Materials against materiality argumentierte, ist die Unterscheidung in Menschliche und Nicht-Menschliche Akteure insofern problematisch, als dass sich nicht einmal eine saubere Trennung von Artefakt und reinem Material vollziehen lässt:
[T]he bifacial stone hand-axe recently made for me by a professional flint-knapper is perhaps more artificial than the stone recovered from your garden […]. But that does not make the former any more part of the material world than the latter. […] Why exclude things like the stone, which have been recovered and removed but not otherwise transformed? [139]
Agenten benötigen keine Agency, keine Handlungsmacht, denn ihre materielle Grundformation ist eine performative Diskurspraktik, unter der sie sich und die Welt äußert. Für eine Autonomie menschlicher/nicht-menschlicher Akteure zu sprechen, würde bedeuten, sie apparativ aus ihrer intraaktiven Dynamik zu reißen und einem agentiellen Schnitt zu unterziehen. Gleichwohl ist jede Untersuchung, wie auch die Vorliegende, unter einem agentiellen Schnitt zustande gekommen. Eine medientheoretische Epistemologie lässt sich nicht allein entlang ihrer apparativen, technischen Agenten verfolgen, sondern muss sich der Konfiguration, der Distanzierung von Objekt und Subjekt durch den agentiellen Schnitt bewusst sein, um das spezifische Zustandekommen der Materialität im technischen Gerät zu untersuchen. Das Gerät ist selbst Diskurspraktik, ganz eigen durch ihre materielle Konfiguration. Barad schlägt zuletzt eine „Onto-epistemo-logie“ vor, „die Untersuchung von Erkenntnispraktiken innerhalb des Seins“ [140] um die dynamische Kontingenz der materiellen Welt nicht länger in eine transhumanistische Figur des Mensch/Maschine-Amalgams – und damit immer auch in jene des Menschen – zu legen.
Mit der vorliegenden Arbeit habe ich mich beiden Ansätzen, des Transhumanismus sowie des Posthumanismus entlang zweier Positionen genähert. Ein klassischer Vergleich hat sich insofern als schwer erwiesen, als dass die Parameter, unter denen die beiden Ansätze denken, grundlegend desperat zueinander sind. Für die Ausgangsfrage bedeutet die vorliegende Untersuchung jedoch, dass die Handlungsmacht technischer Medien entlang ihrer spezifischen Konfiguration, ihrer (nicht länger nur sprachlichen) Diskurspraktiken, ihrer Onto-epistemo-logie zu verfolgen wäre – mitunter nach Bohr, „daß wir mit dem Wort ‚Experiment‘ auf eine Situation hinweisen, in der wir anderen mitteilen können, was wir getan und was wir gelernt haben[.]“ [141] Nicht zuletzt sind apparative Techniken notwendige agentielle Schnitte, um sich diesen Fragen der Materialisierung als Realisierung der Welt im technischen Medium zu nähern.
Literaturverzeichnis
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Internetquellen
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Inhaltsverzeichnis
1. Front matter
2. Zur Handlungsmacht technischer Medien. Ein medienepistemologischer Vergleich
2.1 Die Handlungsmacht technischer Medien im Transhumanismus
2.2 Mechanische Delegationen entlang Latours Hoffnung der Pandora
2.2.1 Akteure und Aktanten
2.2.2 Transhumane Kollektive
2.2.3 Handlungsmacht als Kontinuum
2.3 Die Handlungsmacht technischer Medien im Posthumanismus
2.4 Materielle Verschränkungen entlang Barads Agentiellem Realismus
2.4.1 Materie und Bedeutung
2.4.2 Kriemanns Radiogramme als apparatives Beispiel von Intraaktion
3. Schlussbetrachtung: What’s the matter?
Literaturverzeichnis
1. Front matter
Das in Frage stehende Erkenntnisproblem läßt sich wohl kurz dahin kennzeichnen, daB einerseits die Beschreibung unserer Gedankentätigkeit die Gegenüberstellung eines objektiv gegebenen Inhalts und eines betrachtenden Subjekts verlangt, während andererseits - wie schon aus einer solchen Aussage einleuchtet - keine strenge Trennung zwischen Objekt und Subjekt aufrechtzuerhalten ist, da ja auch der letztere Begriff dem Gedankeninhalt angehört.
Bohr, Niels: Atomtheorie und Naturbeschreibung. Berlin: Julius Springer, 1931. S. 62.
Als sich 1927, zum hundertsten Todestag Alessandro Voltas, eine Riege internationaler Physiker in dessen norditalienischer Geburtsstadt Como zu einer Konferenz zusammenfanden, um die epistemologische Einführung Heisenbergs Unschärferelation in der Physik zu diskutieren, sprach sich Niels Bohr für einen „quantenmechanischen Formalismus“ aus. [1] Die Diskussion um die Komplexität aus Unschärfen und Unbestimmtheiten sollte nach Bohr durch die „Anwendung der Terminologie der klassischen Physik“ erfolgen. [2] Bohrs Theorie der „Komplementarität“ sieht in ihrer „Unmöglichkeit einer scharfen Trennung zwischen […] atomarer Objekte und […] den Messgeräten, die zur Definition der Bedingungen dienen, unter welchem die[se] Phänomene erscheinen“, [3] die Quantenmechanik noch immer in Experimenten und Messinstrumenten erschlossen. Wenngleich quantenmechanische „Wechselwirkungen zwischen […] Objekten und […] Meßgeräten“ unvorhersehbar sind, beherbergen letztere die Möglichkeit zur Wiedergabe der „Gesamtheit aller Phänomene“ [4] und sind notwendige epistemologische Ergänzung eines Welle-Teilchen-Dualismus,5 wenn nicht gar als „Revision unserer […] Hilfsmittel [zu verstehen], die uns die neuere Entwicklung der Physik aufgezwungen hat.“ [6] Für eine Medienwissenschaft der technologisch-materiellen Epistemologie bedeutet dies, sich für die Eigenheiten quantenmechanischer Theorie insofern zuständig zu fühlen, als dass sie nach Bohr im technischen Medium physikalischer Messinstrumente komplementiert und überhaupt erst begrifflich adressierbar wird.
Dass diese Zuständigkeit jedoch keine rein semiotische ist, sondern in ihrer „Philosophie-Physik“ [7] ebenso eine medienepistemologische Dimension entfaltet, zeigt das sich ausdifferenzierende Diskursfeld transhumanistischer und posthumanstischer Theoretiker und Theoretikerinnen. Der spätestens durch Descartes adressierte Leib-Seele-Dualismus weißt eine eigene Tradition als philosophisches Problem auf. Er treibt spätestens mit der zum Heimcomputer avancierten Universalrechenmaschine auch jene Disziplinen voran, die sich im Laufe der sich industrialisierenden westlichen Welt zum Ende des 18. Jahrhunderts aus der Philosophie als eigenständige Fachbereiche formierten, wie den Sozial-, Kultur-, Sprachwissenschaften. [8] In jener Zone der Überschneidung von kulturellen Wissenschaften und den sich aus den instrumentellen Ingenieurswissenschaften entwickelten Erkenntnissen versteht sich eine Medien- und Technikwissenschaft, die sich auch eine Gegenwart zum Gegenstand nimmt, dessen tradierter Leib-Seele-Dualismus in Form neuster kybernetischer, hybrider Technologien zu überwunden versucht wird. [9] Die Bedeutung der Differenz und Komplementierung von Messmedien und den zu messenden Phänomenen schreibt sich auch in der technischen Medienwissenschaft im Dilemma einer Subjekt-Objekt-Spaltung fort. Sie stellt die Frage, welche Bedeutung dem Menschen als erkennendes Subjekt angesichts eines materiellen Eigenwillens im Messinstrument und angesichts einer Unbestimmtheit quantenmechanischer Phänomene in unserer Wissensproduktion zukommt. Oder noch konsequenter: Welcher Rolle das technische Medium an sich einnimmt, ohne einer Zentrierung menschlichen Zutuns. Die im Folgenden vorgestellten Positionen verorten sich entlang dieses Diskursfeldes. Gleichwohl unterscheiden sie sich in ihrer Ausdifferenzierung anthropologischer Dimensionen derart, dass sie zum Anlass einer Untersuchung dienen, die in ihnen angelegte, oder legitimierte, Handlungsmacht technischer Objekte zu vergleichen. Die als Agency beschriebene Handlungsmacht nicht-menschlicher Entitäten möchte ich deshalb an zwei Stellvertretern diskutieren.
Als erste Position meines Vergleiches ziehe ich die Actor/Actant Network Theory (ANT) [10] des französischen Soziologen Bruno Latour heran. Die seit den 1990ern einsetzende Verbreitung seines Begriffes einer Agency in den Sozial- und Kulturwissenschaften adressiert eine Verteilung der Handlungsmacht entlang menschlicher und nicht-menschlicher Entitäten. Menschen und Nicht-Menschen bilden nach Latour transhumane Kollektive und distribuieren ihre individuellen Befähigungen und das in ihnen eingeschriebene Wissen in einem Kontinuum, in dem sich Subjekt und Objekt immer weiter aneinander annähern. [11] Da hier dem Menschen zwar per se keine privilegierte Stellung zugesprochen wird, Latours Denken jedoch, wie im Folgenden zu erkennen sein wird, von einer grundlegenden Spaltung als sich näherndes Kontinuum zwischen Subjekt und Objekt ausgeht, verhandle ich dessen Position entlang seiner 1999 erschienen Monografie Pandora’s Hope als Transhumanismus.
Als Vergleichspol einer nicht-menschlichen Agency ziehe ich die amerikanische Physikerin und Techno-Philosophin Karen Barad entlang ihres posthumanistischen Ansatzes eines agentiellen Realismus heran. Wo Latour die Handlungsmacht noch als Delegation begreift, beruft sich Barad „auf Fragen der Streuung“ [12] angesichts quantenmechanischer Phänomene, die eine Unterscheidung zwischen „Erkennendem und Erkanntem“ [13] grundsätzlich in Frage stellen, aus der wir in einem klassischen physikalischen Weltverständnis noch Erkenntnis gewannen. Statt einer Subjekt-Objekt-Spaltung versucht Barad eine Ontologie des Werdens zu entwickeln, in der Materie eine Handlungsbefähigung und Leistung zugesprochen wird, Phänomene zu erzeugen, zu stabilisieren und stetig zu rekonfigurieren. [14] Da Agency bei Barad kein Attribuierung darstellt, sondern eine handlungsorientierte Dynamik, nimmt ihr Posthumanismus im vorliegenden Vergleich die zweite Position ein, mittels derer ich mich der medientheoretische Frage nach der Handlungsmacht technischer Medien nähern werde. [15]
Wenngleich auf die grundlegenden Ontologien der beiden vorgestellten Positionen eingegangen wird, liegt ein besonderer Fokus nicht etwa auf Fragen der klassischen Philosophie, wie sie in der Subjekt-Objekt-Spaltung als solche zu Tage tritt, sondern auf ihrer Relevanz für eine Medienwissenschaft technischer Medien, die sich der Eigengesetzmäßigkeit des Technologischen (als techno-logos) widmet. Nicht zuletzt entfaltet die Bezugnahme auf die Physik der Quanten für die Medienwissenschaft dort Brisanz, wo sich technische Medien nicht mehr auf dem Radar menschlicher Zeugenschaft valide zu erkennen geben. Ganz in Bohr Sinne jedoch, beschreibt sie sich entlang der Begrifflichkeit observabler Physik. Aus diesem Grund mündet der vorliegende Vergleich in erster Instanz auf die Fallstricke der Epistemologien technischer Medien im Trans- und Posthumanismus, nicht etwa auf jenen des Menschen, oder des Menschlichen.
2. Zur Handlungsmacht technischer Medien. Ein medienepistemologischer Vergleich
2.1 Die Handlungsmacht technischer Medien im Transhumanismus
Der Transhumanismus macht sich zur Aufgabe, ein System zwischen Mensch und Nicht-Mensch, Subjekt und Objekt, Sein und Materie zu entwerfen, deren Beziehung von gegenseitigem Austausch geprägt ist. Wenn Kittler anmerkt,
[d]aß Kleinkinder im Unterschied zu jungen Schimpansen ihr Spiegelbild mit identifikatorischem Jubel erkennen/verkennen, öffnet [dies] nur ein Loch, das Platz schafft für […] Kybernetik[,] [16]
beschreibt dieses kybernetische Verhältnis einen Transhumanismus, der wesensunterschiedliche Formen von Mensch und Nicht-Mensch voraussetzt. Dort, wo menschliches Subjekt und nicht-menschliches Objekt als einzelne Entitäten aneinandergekoppelt werden, bilden sie im Transhumanismus eine neue, eine verbundene Wesenseinheit. Eine dieser neuen Entitäten weist sich beispielshaft an der populären transhumanen Figur des Cyborgs aus, die ein Verschmelzen von Mensch und Technik vollführt. Damit avancierte der Cyborg zur programmatischen Figur eines Transhumanismus, in dem das Menschliche und Nicht-Menschliche zusammenfinden. Ohne zugrundeliegender Ausdifferen-zierung der Pole Mensch und Nicht-Mensch, so werde ich auch im Folgenden argumenten, könnte diese Figur keine neue Wesensform annehmen, die der tradierten Subjektform nicht ganz unähnlich ist. Der Transhumanismus will damit dezidiert keine vollständige Überwindung der zugrundliegenden Wesensunterschiede von Mensch/Nicht-Mensch, sondern deren Amalgamierung als neue transhumane Entität hervorbringen.
Inwiefern diese neue Subjektform eine wirklich Neue darstellt, oder ob sie sich einer eher menschlichen (anthropozentrischen), oder technologischen (technozentrischen) Tendenz ausweist, divergiert in der transhumanistischen Theoriebildung entlang ihrer Vertreter_Innen. Zuweilen auch unter umgekehrten Vorzeichen, „daß Menschen die Informationsmaschinen nicht erfunden haben […], sondern sehr umgekehrt ihre Subjekte sind.“ [17] Die transhumanistische Relation zwischen Mensch und technischem Apparat verweist dabei auf einen vieldiskutierten Topos medientheoretischer Überlegungen. In Marshall McLuhans Monografie Understanding Media mit dem programmatischen Untertitel The Extensions of Man wies McLuhan, der sich durch die Veröffentlichung seiner Schrift 1964 als einer der bedeutsamsten Medientheoretiker des 20. Jahrhunderts etablierende Pädagoge, auf den prothetischen Charakter neuer Techniken hin: „Any invention or technology is an extension or self-amputation of our physical bodies[.]“ [18] McLuhan zufolge sind Medien als Erweiterungen des menschlichen Körpers, vornehmlich seiner Sinnesorgane, zu verstehen. Doch mitunter gilt eine weitere Forderung, die McLuhan für Medien als Teile des menschlichen Körpers vornimmt: So spricht er sich nicht nur für die körperliche Integration des Technischen am Menschen aus, sondern ebenso für eine psychosoziale, kulturelle Integration, die den Erkenntnisapparat der Medien erweitert:
As long as we adopt the Narcissus attitude of regarding the extensions of our own bodies as really out there and […] independent of us, we will meet all technolog[y] with […] collapse. [19]
Die Inkorporation des Technischen, wie sie bei McLuhan gedacht wird, kann als Grundgerüst einer transhumanistischen Kritik, wie sie Latour vollzieht, verstanden werden. Doch wo McLuhan noch einen menschlichen Körper im Sinn hat, den mitunter auch andere Transhumanistinnen aufgreifen werden, wie etwa Donna Haraway, die McLuhans prothetische Theorie hinsichtlich queer-feministischer Handlungsmacht um den weiblichen Körper als Cyborg ausweiten wird, [20] möchte Latour vielmehr eine Soziologie unter Einbezug des Nicht-Menschlichen entwickeln. Techniken sind bei Latour nicht mehr bloß menschlichen Akteuren im Sinne einer Kulturtechnik vorbehalten, sondern auch für wesensunterschiedliche Technik, Technologie und nicht-menschliche Akteure als Program-me eingeschrieben und verfügbar. [21] Damit spricht sich Latour für eine Handlungsmacht des Technischen durch Technik aus, die eine soziologische Wende vollziehen vermag. [22] Bei Latour ist Technik nicht mehr bloß Prothese des menschlichen Körpers, sondern im Stande, sich selbst und andere (non-)humane Agenten im gleichen Maße zu verändern und mit diesen Kollektive zu bilden. [23] Dabei stoßen wir bereits auf unseren ersten Verdacht dieser Untersuchung, wenn wir im Folgenden sehen, dass Latours Erweiterung einer Soziologie zugunsten der Integration non-humaner Mitspieler, zurück auf das anthropozentrische Wesen der Soziologie fällt.
2.2 Mechanische Delegationen entlang Latours Hoffnung der Pandora
2.2.1 Akteure und Aktanten
Die Dichotomie zwischen Menschlichem und Nicht-Menschlichem versucht Latour zugunsten einer „Symmetrie“ von Agenten als Kollektive handelnder Akteure und Aktanten zu überwinden. [24] Doch Akteure und Aktanten vereinen sich durch unterschiedliche Qualitäten zum Kollektiv. Die impulsgebenden Kompetenzen einer Agency werden dabei von Akteuren ausgeübt. Als Akteure begreift Latour jene Entitäten, die einer Handlung ursächlich sind. [25] Dabei besteht das Kriterium, dass der Akteur nicht zu seiner Agency ermächtigt wurde, sondern zur eigenständigen, zielorientierten Handlung im Stande ist. Die Autorisierungsgewalt seiner Handlungsmacht ist dem Akteur immanent. Doch um die Zuschreibung eines vollwertigen Akteurs zu erlangen, bedarf die Entität auch der Kompetenz, andere Akteure und Aktanten durch seine Handlungsweise zu manipulieren. [26] Dabei wirken sie zugunsten ihres Handlungsziel auf andere Mitglieder des Kollektivs ein. Akteure bestimmen also das Kollektiv entscheidend durch eine zielorientierte Handlungsweise mit. Im Handlungsvollzug definieren sich Akteure und begründen ihre Legitimierung im Kollektiv. [27] Insofern kommt nach Latour den Akteuren eine autonome Agency ihrer Tätigkeit im Vollzug zu. Das geschieht jedoch unter dem Vorzeichen, sich in einem Netzwerk von anderen Akteuren zu bewegen, dessen Handlungsweisen sie ausgesetzt sind. Damit gestalten Kollektive ein Netzwerk unterschiedlicher Bezugnahmen und gegenseitiger, zielorientierter Manipulation. Somit gestaltet sich ein Netzwerk, in dem sich transhumane Kollektive durch gegenseitige Regelung, Einflussnahme und Rückkopplung verknüpfen. Es handelt sich um eine transhumane, kybernetische Idee von Handlungsmacht.
Aktanten hingegen sind jene Entitäten, die innerhalb eines Netzwerks oder Kollektivs durch Akteure zur Handlung „mobilisiert“ [28] bzw. ermächtigt werden. Als Delegaten handeln Aktanten unter der Handlungsanweisung ihrer Akteure. [29] Diese Mobilisierung von Handlung kann als algorithmisches „Handlungsprogramm“, [30] also einer ganzen Kettung von Handlungen, zu einer „Assoziation von Aktanten“ [31] kulminieren. Doch als Verbund assoziierter Handlungen können Assoziationen von Aktanten situativ zum Akteur des Kollektivs avancieren. [32] In ihrer Kollektivierung und Verkettung steigen sie also im hierarchischen System zum Akteur auf. Zugleich definiert sich die situative Wesensbeschreibung und hierarchische Zuordnung eines Agenten als Aktant aus seiner Handlungsfunktion im Kollektiv. Sie unterliegt dabei einem stetigen Wandel hinsichtlich ihrer andelegierten technischen Handlungsweisen:
„The relative shapes of actants and their ontological status may be completely reshuffled – techniques act as shape-changers[.]” [33]
Der wichtigste Punkt und gleichzeitige Gemeinsamkeit von Akteuren und Aktanten besteht jedoch darin, dass sie als Agenten keine Unterscheidung menschlichen oder nicht-menschlichen Ursprungs vornehmen: „Agents can be human or […] nonhuman, and each have goals[.]“ [34] Sowohl Menschen, als auch Nicht-Menschen bilden gemeinsam Kollektive, für die sich Latour der Figur eines Transhumanismus bedient. Sie ist von gegenseitiger Delegation und Austausch geprägt. Welche Rolle das transhumane Kollektiv in seiner Agency einnimmt, soll im folgenden Abschnitt erläutert werden.
2.2.2 Transhumane Kollektive
Wir haben gesehen, dass transhumane Kollektive aus menschlichen und nicht-menschlichen Akteuren und Aktanten bestehen. Diesen kommen unterschiedliche Kompetenzen und situative Funktionen in ihrer Handlungsmacht zu. Als Verbund sind Akteure dazu privilegiert, Regelungen des Kollektivs mittels Delegation und Manipulation vorzunehmen. Nun stellen sich jedoch drei Fragen: Erstens, welche Agency ein transhumanes Kollektiv innehat. Zweitens, wie sich diese Agency des transhumanen Kollektivs von der gewöhnlich den Menschen zugesprochenen Handlungsmacht unterscheidet. Und drittens, welche Konsequenzen sich für das Technische aus dem transhumanen Kollektiv ergeben.
Ausgehend von seinem Hintergrund als Soziologe, versucht Latour den Begriff der Institution als Begriff von „laws, peolpe, and customs that continue in time“ [35] umzudeuten, um nicht-menschliche Akteure unter dem Vorzeichen des Kollektivs in die Funktion der Institution einzubeziehen:
We may then be able, finally, to understand these nonhumans, which are, […] full-ledged actors in our collective: we may understand […] why we do not live in a society gazing out at a natural world or in a natural world that includes society as one of ist components. [36]
Dabei kommen transhumanen Kollektiven, also dem Verbund der Handlungsmacht transhumaner Kollektive aus Akteuren und Agenten, die Qualität einer Institutionalisierung im soziologischen Sinne zu. [37] Als Institutionalisierung fallen Mensch und Nicht-Mensch zurück auf ihre soziologische Dimension. Die Dringlichkeit für die Erweiterung des klassischen Gesellschaftsbegriffs sieht Latour in der zunehmenden Annäherung von Mensch und Nicht-Mensch als „deepened intimacy, a more intricate mesh, between the two.“ [38]
Latour plädiert also einerseits für eine zunehmende Ununterscheidbarkeit von menschlichen und nicht-menschlichen Akteuren, die den Verzicht der althergebrachten Subjekt-Objekt-Spaltung bedarf. Andererseits adressiert „[b]etween the two“ [39] das grundlegende Problem der Spaltung, das Latour eigentlich aufzulösen versucht: Whereas objects could only face out at the subjects – and vice versa – nonhumans may be folded into humans through […] translation, articulation, delegation[.] [40] Hier wird deutlich, dass Latour trotz seiner Bemühung, nicht-menschliche Akteure zugunsten einer Überwindung der Subjekt/Objekt-Spaltung zu berücksichtigen, noch immer an einem Dualismus menschlicher und nicht-menschlicher Entitäten festhält, wenn er sich argumentativ an der Figur zweier uneinheitlicher Wesenszüge von Mensch und Nicht-Mensch bedient. Die Handlungsmacht transhumaner Kollektive wird also trotz Einbezug nicht-menschlicher Akteure unter dem Vorzeichen eines Dualismus gedacht, wenn sich die Unterscheidung zwischen den Wesensarten in soziologischer Denkart artikuliert. Nicht zuletzt verwendet Latour seine als wesensneutral angelegte Kennzeichnung von Akteur/Aktant immer wieder unscharf, wenn er das implizierte Nicht-Menschliche zum Aktanten degradiert: „the word ‚actant‘, borrowed from semiotics, is sometimes used to include nonhumans* [Anm. i. O.] in the definition.“ [41] Zwar geschieht dies zum Ziel, die Inklusion des Nicht-Menschlichen in seine Argumentation aufzunehmen, doch solange Latour an einer ontologischen Differenz von Mensch und Nicht-Mensch auf der sprachlich-argumentativen Ebene festhält, reproduziert er jene Spaltung, die er zu überwinden versucht.
Der Verdacht der reproduzierten Differenzierung von Mensch/Nicht-Mensch zeigt sich ebenso in der von Latour konzipierten Handlungsmacht der Kollektive. Handlungen transhumaner Kollektive müssen hier immer erst vermittelt werden, um in Erscheinung zu treten. [42] Kollektive repräsentieren sich dabei durch vier Bedeutungen technischer Vermittlung: „Interferenz“, [43] „Komposition“, [44] Black Boxes, [45] Artikulation. [46] Gemeinsam ist diesen Vermittlungsformen, dass sie den Agenten ein zielorientiertes Handeln attestieren. [47] Ihre Bedeutung wird im Folgenden entlang Latours Argumentation vorgestellt. Unter Interferenz versteht Latour die Möglichkeit der Agenten, ihr Ziel auch durch Handlungsprogramme“ [48] anderer Agenten zu verfolgen. [49] Dabei vollziehen die desparaten Agenten eine Verbindung untereinander, die vorher nicht existent war:
„I used [goals] translation to mean displacement, drift, invention, mediation, the creation of a link that did not exist before and that to some degree modifies the original two.“ [50]
Die Agency vermittelt sich also in der Möglichkeit der Verknüpfung zweier verschiedener Agenten zu einer dritten agentiellen Instanz. Als Komposition versteht Latour die Verkettung mehrerer Agenten zu einer handlungsorientierten „Assoziierung von Aktanten“, [51] die untereinander Kompetenzen, wie Techniken und Wissen austauschen. [52] In diesen Assoziierungen können für Kollektive auch gänzlich neue Ziele entstehen, die es für sie zu verfolgen gilt. Diese Dynaik der Zielsetzung beschreibt Latour als „goal translation[.]“ [53] Als dritte Vermittlungsform nennt Latour die Möglichkeit von Netzwerken, auf vergangene Epistemologie zurückzugreifen und sich diese nutzbar zu machen, wenn er von „Folding of Time and Space“ [54] spricht. Die Vermittlung von transhumanen Kollektiven ist nach Latour deshalb phänomenologisch niederschwellig, da sie sich zuweilen mittels „blackboxing“ [55] unter Ausschluss externer Agenten vollzieht: „Deadlus’s maze shrouds itsel in secrecy. Can we open the labyrinth and count what is inside?“ [56] Beim Versuch ein als Black Box getarntes Kollektiv zu öffnen, können sich neue Kollektive formieren: „A shift has occured between actant and mediator.“ [57] Black Boxes stellen für Latour letztlich eine Brücke dar, die Artikulation vergangener Agenten zu vergegenwärtigen: „An objects stands in for an actor and creates an asymmetry between absent makers and occasional users.“ [58] Die Fähigkeit vergangene Agenten mit neuer Signifikanz, für neue Agenten nutzbar zu machen, stellt die vierte Vermittlungsform dar, die Latour ausweist. [59]
Wie wir gesehen haben, vermitteln sich transhumane Kollektive nach Latour entlang ihrer Verknüpfung untereinander. „I live in the midst of technical delegates; I am folded into nonhumans[,]” [60] beschreibt Latour die situative Lage inmitten transhumaner Kollektive. Die Evozierung einer notwendigen Vermittlung des Technischen zeigt, dass sich die Handlungsmacht transhumaner Kollektive, und ganz entscheidend des Nicht-Menschlichen für Latour als soziologische Black Box begreift.61 Die Ermächtigung des Technischen zum Handelnden ist in der Idee verankert, dass „Input“ und „Output“ in diesen Systemen keine nachvollziehbaren Handlungen vollführen. [62] Diese Nachvollziehbarkeit wird noch immer am menschlichen Maß angesetzt, denn gerade für hochtechnische Systeme, wie der Computation gilt, dass sie ihre „einzelne[n] Subroutinen“ [63] in deterministischer Diskretion vollführt. In Turings Universaler Rechenmaschine geschieht dies sogar noch in ihrer digitalen Schriftführung überdeutlich auf dem angedachten endlosen „Papierband, das zugleich ihr Programm und ihr Datenmaterial, ihren Input und ihren Output darstellt.“ [64] Latours Agency als Verkettung von Handlungspraktiken menschlicher und nicht-menschlicher Entitäten geschieht im Technologischen [65] als berechenbares Subprogramm, in dem „Denken […] vollständig in Rechnen überführt [wird]“ [66] und das „von Ingenieuren in diversen Maschinen nachgebaut werden [kann].“ [67] Wenn Latours transhumane Kollektive also einen Vermittlungsbegriff bedürfen, der sich an den Gedanken undurchdringbarer Subprogramme orientiert, geschieht dies unter einem anthropozentrischen Vorzeichen. Diese wird seinem Anliegen, eine gleichwertige Rolle menschlicher und nicht-menschlicher Akteure im transhumanen Kollektiv zu entwickeln, nur bedingt gerecht. Sie funktioniert jedoch nach seinem Anliegen, wo er eine Integration des Nicht-Menschlichen in die sehr wohl menschliche Systematik der Soziologie überführt.
Erkenntlich wird dabei, dass Latours Notwendigkeit einer phänomenologischen Vermittlung ihren Ursprung an einer soziologischen Tradition der Repräsentation findet: „Its [the collective‘s] slogan could be ‚no realtity wihout representation.‘“ [68] Latours Repräsentationsbegriff verweist auf menschliche Gesellschaftssysteme unter der Integration des vermeintlich Technischen in seinem Begriff des transhumanen Kollektivs. Das Insistieren auf zielorientiertes Handeln spräche für Kollektive als Institutionen, wie wir sie aus den anthropozentrischen Gesellschaftssystemen kennen. Wie Latour erklärt, hat das Nicht-Menschliche nur „in der Differenz des Paares ‚Menschlich-Nichtmenschlich‘ und der Subjekt-Objekt Dichotomie“ [69] Bedeutung. Dabei ist Latours Vorhaben vor allem in Abgrenzung zu einer Soziologie zu lesen, die „unfähig ist zu erklären, warum Artefakte mit uns in Beziehung treten, warum wir so insistent […] Nicht-Menschen sozialisieren.“ [70] Latours Agenda besteht also vor allem darin, dem Sozialkonstruktivismus entgegenzutreten, unter dem nicht-menschliche Akteure als soziale Konstruktion auftreten. [71] Für die Handlungsmacht des Technischen hingegen, bedeutet dies, auf ihre menschliche Vermittlung reduziert zu werden.
2.2.3 Handlungsmacht als Kontinuum
Wie wir in der Ausdifferenzierung von Akteuren und Aktanten gesehen haben, ist Latour jedoch nicht lediglich als semantische Umbenennung von Subjekt/Objekt inMensch/Nicht-Mensch zu lesen. Im Gegenteil soll die Verknüpfung menschlicher und nicht-menschlicher Entitäten eine gewollte semantische Verwirrung der beiden ermöglichen: „the confusion of humans and nonhumans is not only our past but our future as well.“ [72] Latours Absicht besteht also wider seiner Aussage, die Subjekt-Objekt-Spaltung zu überwinden vielmehr darin, die soziotechnische Dimension einer Gesellschaft zu adressieren, die es mit mehr als bloßen technischen Artefakten in ihrer gesellschaftlichen Realität zu tun hat. [73] Insofern liegt bei Latour die Handlungsmacht transhumaner Kollektive in ihrer Konstellation innerhalb der menschlichen Gesellschaftsrealität vor, die sich immer erst medial vermitteln muss und nicht jenseits eines Humanismus zu verorten ist: „Objectivity and subjectivity are not opposed, they grow together, and they do so irreversibly.“ [74] Handelt es sich bei Latours Transhumanismus also vielmehr um einen Humanismus durch Technik?
Für das Technische bedeutet Latour These, sich weder in der Rolle eines Objekts wiederzufinden, noch als autonomes Handlungssubjekt in Erscheinung zu treten: „there is no object, no subject, no contradiction, no Aufhebung [sic; Herv. i. O.]“ [75] Es kann stattdessen nur noch in der Verbindung zum Menschen gedacht werden, mit dem es Kollektive eingeht. In der transhumanistischen Figur kommt dem Technischen also eine Rolle der Teilhabe zu, über die sie nicht avancieren, oder die sie unterschreiten kann. Der Einbezug einer Gesellschaftsrealität, in der Menschen und Nicht-Menschen als Kollektiv miteinander verknüpft sind, verortet sich auf einer kontinuierlichen Annäherung der beiden. Hieraus lässt sich eine paradoxe Differenzierung innerhalb der transhumanistischen Verknüpfungsfigur erkennen: Bei Latour fungieren Mensch und Nicht-Mensch wie Zahnräder in einem mechanischen Weltbild, die einerseits in ihrer Zielorientierung aufeinander angewiesen sind, andererseits durch ihr Handeln das gesamte mechanische Werk beeinflussen können. In Ablehnung eines Fortschrittsgedankens, der, so Latour, der gegenseitigen Beziehungen von (nicht-)menschlichen Akteuren nicht gerecht wird, denkt er die Realisierung des transhumanen Kollektivs als historische Kontinuität, die sich als moderne Gesellschaft äußert. [76] Die evozierte Kontinuität als „an entirely different mechanism [that] makes it tick” [77] beruht auf dem Austausch spezifischer Eigenschaften der Akteure, die in einer linearen Zeitordnung immer weiter zunimmt. [78] Zuletzt bleibt auch die Eigenzeitlichkeit des Technischen als „Medienzeit“ [79] bei Latour zugunsten einer kontinuierlichen Akkumulationszeit unberücksichtigt. [80] Vielmehr ist die Umstrukturierung soziologischer, und damit eben auch immer menschlicher Bezugnahmen für Latour von Interesse, die eine techno-logische Handlungsmacht des Nicht-Menschlichen vernachlässigt.
Denn das Wesen des Technischen zeigt sich doch gerade in seiner „Diskontinuität“, wenn es sich durch seine materielle Realität artikuliert. [81] „Darin liegen die Schwierigkeiten eines Materialismus, der wie bei Marx auf dem gleichzeitig aufgestellten Gesetz der Energiekonstanz beruhte, angesichts der zweiten industriellen Revolution[,]“ [82] erklärte Kittler in Bezug zur Diskontinuität technischer Medien. Ein Kontinuum zwischen Menschen und Nicht-Menschen entlang der von Latour aufgezeichneten Annäherungskonstanten erreicht keine schlussendliche Verschmelzung. Diese führt Latour auf einen ungewissen Zukunftspunkt, an dem eine akkumulierte Singularität eintritt. [83] Darin gibt sich auch zu erkennen, dass die Artikulation des Nicht-Menschlichen im transhumanen Kollektiv eine unter dem anthropozentrischen Vorzeichen zielgerichtete Epistemologie ist. In einem gleichberechtigten System aus Mensch und Nicht-Mensch würde ein Rauschen ebenso gewolltes Ziel des Technischen sein, wie zielgerichtetes Handeln anthropologischer Dimension. Doch ist bei Latour lediglich letzteres eine Notwendigkeit, Handlungsmacht zu definieren und zu legitimieren. „[B]ei reichlich zehnmal feineren Ohren würden wir die Materie rauschen hören und vermutlich nichts anderes mehr[,]“ [84] spitzt Kittler die Artikulation der Materie zu. Das Technische unterliegt nicht einzig einer kontinuierlichen Zeit als (Zukunfts-)Historiographie der Mensch/Nicht-Mensch-Annäherung, sondern ganz entscheidend „einem Zeitgeschick“, auf das Ernst immer wieder verweist: Den eigenen „Zeitweisen“ in „nonlineare[n] Sprünge[n]“ und „Sackgassen“, [85] „mithin eine[m] Akt der Diskretion, der Diskontinuierung“ [86] jenseits humaner Wahrnehmungsschwellen, oder transhumaner Zielführung.
Würden wir das Latoursche Kontinuum für einen Augenblick eines Gedankenexperiments heranziehen, also fiele die Annährung des Menschlichen und Nicht-Menschlichen eines zukünftigen Tages in eine Singularität zusammen, wirft diese Annahme den Einwand auf, weshalb es gerade computablen Akteuren nicht möglich sein soll, den Zeitpunkt dieser Singularität exakt zu berechnen und dem Kollektiv zu vermitteln. Wie Turing in seinem 1937 erschienenem Aufsatz On Computable Numbers, With an Application to the Entscheidungsproblem bereits das Zeitwesen des Computers begreift, besteht dieses vielmehr in der Diskretisierung, also sequentiellen Partitionierung als Taktung, um eine berechenbare Operation zu vollziehen:
We will also suppose that the number of states of mind which need be taken into account is finite. The reasons for this are of the same character as those which restrict the number of symbols. [87]
Diese arithmetische Funktion der Berechnung ist die Zeitlichkeit rechnender Maschinen. [88] Insofern läuft die Handlungsweise des Rechnens als getaktetes Kontinuum ab. Jedoch, wie wir mit Kittler und Ernst sahen, äußert sich diese sequentielle Zeitlichkeit durch die materielle Realisierung des Nicht-Menschlichen und insbesondere in der Interaktion mit anderen Akteuren, wie es im transhumanen Kollektiv der Fall ist, immer wieder in Stör- und Rauschsignalen als Diskontinuität. Das von Latour vorgeschlagene Kontinuum unterliegt also in ihrer materiellen Realität, sowie im Austausch mit anderen Akteuren einem vielfältigen Verhältnis von Kontingenzen.
Latours Transhumanismus bleibt in einem anthropozentrischen Soziologiebegriff verortet. Die zeitliche Dimension, in der sich die Handlungsmacht technischer Medien im transhumanen Kollektiv entfalten soll, wird der Eigengesetzmäßigkeit nicht-menschlicher Akteure nicht dort gerecht, wo sie bei genauerer Betrachtung keine gleichberechtigte Wesensfunktion gegenüber ihrer humanen Mitspieler einnehmen. Der vorgeschlagene Transhumanismus lässt sich als Gesellschaft undurchdringlicher Handlungsweisen als Black Box lesen, in dem Akteure die Rolle mechanischer Zahnräder einer menschlichen Soziologie einnehmen. Diese Konzeption des Nicht-Menschlichen beruht zum einen auf der zugrundeliegenden Wesenstrennung von Mensch und Nicht-Mensch, als auch der fehlenden Unterscheidung technischer und technologischer Einheiten im Nicht-Menschlichen. Denn gerade im Technologischen, wo mechanische Konfigurationen nicht mehr greifen, sondern ein materieller Eigenwille am Werk ist, kann von einer Soziologie, auch als Metapher, nicht mehr die Rede sein. Die Berücksichtigung dieser Eigenheiten, gerade in Anbetracht der Erkenntnisse im Kleinsten wirkender physikalischer Phänomene, treibt Karen Barad voran, die im Folgenden entlang ihres Posthumanismus diskutiert werden soll.
2.3 Die Handlungsmacht technischer Medien im Posthumanismus
„Der Sprache wurde zuviel [sic] Macht eingeräumt[,]“ [89] lässt Karen Barad ihren Aufsatz Agentieller Realismus anklingen. „There is [a] sense in which the only thing that doesn’t seem to matter anymore is matter.“ [90] Die Rolle der Materie wird im posthumanistischen Denken zentral. Zwar generierte der Transhumanismus eine Körperlichkeit entlang des Cyborgs, in dem sich der Mensch als Mensch durch technologische Erweiterung einen neuen Körper formt. Doch verbleibt der transhumanistische Körper in einem menschlichen Repräsentationssystem, „for the enacted and represented bodies are brought into conjunction through the technology that connects them.“ [91] Selbst wenn der transhumanistische Körper durch “nonbiological components” [92] generiert wird, erdet er sich in einem menschlichen Körperbewusstsein, was sich bereits durch die Fähigkeit libidinösen Begehrens bei Haraway abzeichnet. [93] Im Transhumanismus wird die Bezugnahme der Sprache von materieller Bedeutung, wenn Haraway ausführt:
Writing is pre-eminently the technology of cyborgs, etched surfaces of the late twentieth century. Cyborg politics is the struggle for language and the struggle against perfect communication, […] the central dogma of phallogocentrism. […] These are the couplings which make Man and Woman so problematic, subverting the structure of desire[.] [94]
Unter den durchaus divergierenden Vorstellungen eines transhumanen Körpers, fällt dieser aber stets auf seine sprachliche Strukturierung zurück, „for the cyborg as a fiction mapping our social and bodily reality[.]“ [95] Damit ist der Begriff der Materie im Transhumanismus auch immer einer, der sich vielmehr als semiotischer Materialismus begreift, statt als ontische Daseinsweise. [96] Damit machte sich der Cyborgismus zuweilen als Referenzpunkt queer-feministscher Diskursen beliebt, in denen Körper von Bedeutung wurden. [97] Der entscheidende Schritt des Posthumanismus liegt bei Barad darin, der Materie eine Handlungsmacht zuzusprechen, die nicht mehr „zu einer sprachlichen Angelegenheit oder einer anderen Form von kultureller Repräsentation wird.“ [98] Wenngleich Latours Transhumanismus dem „soziale[n] Konstruktivismus […] beträchtliche […] Unzufriedenheit“ [99] entgegenbringt, begreift auch er Materie als der „Kultur abgeleitetes Potential zur Veränderung“, [100] wenn er sie statt in der materiellen Wirklichkeit in der Teilhabe soziologischer Kollektive verortet. Die in der vorangegangenen Untersuchung unter Zuhilfenahme Kittlers und Ernsts vorgestellte materielle Eigenlogik „räumt [Barad hingegen] ihren Anteil als aktiver Teilhaber am Werden der Welt […] ein.“ [101]
Damit entfaltet sich die Handlungsmacht technischer Medien nicht länger auf der Ebene einer kontinuierlichen, „statischen Bezüglichkeit,“ [102] sondern entlang einer agentiellen Realität. In dieser zeigt sich Materie „nicht in Raum und Zeit“ [103] als Vorhandenes, sondern tritt „in der Herstellung der Raumzeit selbst“ [104] zum Vorschein. Materie kommt damit eine „dynamische Kraft“ [105] zu, unter der sie Realität produziert. Sie ist nicht getrennt von den von ihr erzeugten Phänomenen – und kann auch nicht getrennt von diesen untersucht werden. [106] Ganz in Bohrs Sinne ist Materie keine Repräsentation der Sprache, sind technische Medien keine materiell unabhängigen Wesensformen, sondern beziehen sich auf ihre materielle Realisierung und erzeugen aktiv Realität. [107] Um in diesen Registern zu denken, vollzieht Barad ihre Ontologie nicht mehr an der tradierten Mustererkennung einer Spaltung von Subjekt und Objekt. Sie setzt an der ontologischen Differenz von Materie und Bedeutung an, wie sie im Folgenden diskutiert wird.
2.4 Materielle Verschränkungen entlang Barads Agentiellem Realismus
2.4.1 Materie und Bedeutung
Um die Bedeutungshoheit materieller Entitäten nicht länger in menschliche Hand zu legen, argumentiert Barad für einen Materialitätsbegriff, der auf einer „Unzertrennlichkeit/ Verschränkung“ [108] seiner ontologischen Bedeutung gründet: Die von Materialität spezifisch selbst erzeugten Phänomene sind bei Barad untrennbar von ihrer materiellen Ebene. [109] Materie erzeugt, stabilisiert und verändert Phänomene in einem Strom aus dynamischer „Streuung[.]“ [110] Damit wird Agency zur materiellen Seins-Form nicht-menschlicher Akteure:
Materie [ist] ein intraaktives Werden, das in ihr schrittweises Werden einbezogen und eingefaltet ist. Materie (Materialisierung) ist eine dynamische Artikulation/Konfiguration der Welt. [111]
Während sich die aus dem Transhumanismus entwickelten queer-feministische Positionen noch um eine materielle Ontologie als Konstruktion bemühten, bemerkt Barad, dass sich deren „Materialität auf eine Theorie der Materialisierung menschlicher Körper begrenzt, […] auf die […] Konturen des menschlichen Körpers.“ [112] Die Radikalität der Theorie Barads liegt darin, dass Materie ganz grundlegend in ihrer Wesensform als Werden gedacht wird, „kein Ding, sondern eine Tätigkeit[.]“ [113] Damit kommt der Handlungsmacht nicht-menschlicher Akteure nicht mehr nur eine Teilhabe zu, sondern Materie wird nach Barad zur Handlung selbst.
Aus dieser Position gelingt es Barad, die Deutungshoheit über diskursive Praktiken, worunter sie auch Messen und apparative Techniken versteht, für Materie zu denken. Dies geschieht, indem sie die Definition des Diskurses von der Sprache abkoppelt. [114] Ganz im Sinne Foucaults Diskursbegriff, besteht für Barad ein Diskurs nicht aus dem Gesagten, sondern Artikulierbarem. [115] Es ist also nicht länger die Sprache, die von Bedeutung ist, sondern die Artikulation des Möglichen: Materialität entwickelt ein „Feld von Möglichkeiten“ [116] als Form ihrer Handlungsmacht.
Nun geschieht eine Artikulation des Materiellen nichts zwangsläufig entlang menschlicher Sinneswahrnehmung. Entlang technischer Medien, so Barad, können jedoch Apparate als Diskurspraktiken dienen, da sie die Artikulation des Nicht-Menschlichen durch unsere phänomenologische Wahrnehmung „durch die ‚Objekte‘ und Subjekte‘ entstehen [lassen.]“ [117] So werden technische Medien als „grenzziehende Praktiken“ [118] zur Bedingung, die „fortlaufenden Artikulierungen“ [119] einer materiellen Welt wahrzunehmen. Doch in dieser Rolle verweisen sie auch darauf, dass es grundsätzlich keiner menschlichen Instanz bedarf, dass sich die materielle Welt äußert. [120] Anstelle einer nicht-menschlichen Agency könnte man also auch schlicht von einer Welt sprechen, die sich fortlaufend neu konfiguriert, um neue Kanäle der Artikulierung zu finden und sich fluide in ihren materiellen Möglichkeiten äußert. Technische Medien insbesondere dienen dazu, in ein diskursive Verhältnis mit Materie zu treten, in dem eine Distanzierung in Form einer Subjekt/Objekt-Spaltung evoziert wird.
Für den Menschen bedeutet dies, dass er technischen Medien als jene Apparate nutzbar macht, durch die er diese materiellen Artikulationen empfangen kann. Dezidiert geschieht dies nicht, indem das Medium zur Prothese seines Körpers wird und etwa als Antenne einer sensorisch unterschwelligen Welt dient. [121] Artikulation und Erkenntnis formt sich durch „Intraaktion“ [122] apparativer Praxis mit der materiellen Welt. Intraaaktion als aus sich selbst herausschöpfende Handlungform ist hierbei jene Praxis, die als „agentielle[r] Schnitt“ [123] eine in sich geschlossene materielle Welt durch Distanz erfahrbar macht. [124] Damit liegt die menschliche Handlung nicht außerhalb, sondern dezidiert innerhalb einer intraaktiven Äußerung der Welt. Sie stabilisiert sich lediglich für menschliche Phänomenologie mittels technischer Medien für den Augenblick des agentiellen Schnitts. In unserer apparativen Praxis intraagieren Menschen mit Materie und treten in ein Verhältnis, in dem sie selbst durch Intraaktion eine Verschränkung von Kausalität und Realität vorzunehmen. [125] Gleich wie technische Medien versteht Barad sensor-ische Fähigkeiten des Menschen als apparative Praktiken, die „keine statischen Laboreinrichtungen [sind], sondern eine dynamische Menge von erweiterbaren Praktiken, die schrittweise verfeinert und neu konfiguriert werden“ [126] und damit die Subjekt/Objekt-Spaltung als „Arten von diskursiv-materiellen Praktiken gleichzeitig her[stellt.]“ [127]
Barad wird mit dieser Theorie vor allem den naturwissenschaftlichen Erkenntnissen der Quantenmechanik gerecht, deren Erkenntnisse auf Unschärfe und Unbestimmtheiten münden, wenn Materie Welleneigenschaften im Kleinsten vertritt:
Um so auffallender und peinlicher mußte es berühren, als es sich […] bei immer fortscheitender Verfeinerung und Vervielfältigung der Messungsmethoden, zuerst auf dem Gebiet der Wärmestrahlung, dann bei der Lichtstrahlung und in der Elektronenmechanik herausstellte, daß der beschriebenen klassischen Theorie eine unüberschreitbare objektiv bestimmte Schranke gesetzt ist. […] Nun hat sich gezeigt, daß jede Methode, die Lage eines Elektrons genau zu messen, die genaue Messung der Geschwindigkeit ausschließt, […] nach einem ganz bestimmten angebbaren durch die Größe des elementaren Wirkungsquantums bedingten Gesetz. Ist die Lage des Elektrons absolut genau bekannt, so ist seine Geschwindigkeit völlig unbestimmt, und umgekehrt. [128]
Für die medientheoretische Epistemologie wird der Rückbezug auf die Quantentheorie bei Barad bedeutsam, indem sie den Welle-Teilchen-Dualismus als dynamische Verkettung von Diskretisierung (als Distanzierung) und Kontingenz materieller Agency mit einbezieht. Für technische (Mess-)Medien insbesondere gilt, dass ihre Artikulation entlang einer kontingenten, fortwährend (potentiell endlosen) Zeitlichkeit erfolgen. Zwar liefern Messmedien empirisch verwertbare Zahlen als Daten, jedoch unter dem Vorzeichen, im Momentum des Messens auch der Kontingenz unterworfen zu sein, dessen materielle Artikulation es vermittelt, „um so bedeutender […], je enger und feiner der Kausalnexus ist, der das reale Objekt mit dem Messungsinstrument verknüpft[.]“ [129] Am abschließenden und im kommenden Abschnitt folgenden Beispiel wird gezeigt, wie sich diese materielle Realität als medienästehtische Praxis äußern kann.
2.4.2 Kriemanns Radiogramme als apparatives Beispiel von Intraaktion
Die fotografischen Arbeiten der in Erlangen geborenen Künstlerin Susanne Kriemann schöpfen aus Fragen um ein Materialitätsverständnis als dokumentarischer Akteur. In ihrer 2016 zuerst präsentierten Arbeit Library for Radioactive Afterlife lässt Kriemann radioaktives Material zum Protagonisten ihrer Fotografien werden. Das auf photosensitiven Film aufgelegte Uranium (Pechblende) wird hier nicht im Sinne einer apparativen Technik der Röntgenaufnahme benutzt. Beim verwendeten Film handelt es sich nicht um einen Röntgenfilm, der sich durch seine zweiseitige Beschichtung mit Fotoemulsion auszeichnet. Ihre Fotografien sind vielmehr Fotogramme auf klassischem fotografischem Papier, vielmehr Radiogramme als Röntgenbilder, des radioaktiven Materials selbst. Die Strahlung des Gesteins löst die Belichtung der Fotoemulsion in einem verdunkelten Raum selbst aus, während Kriemann die Belichtung entlang einer Testreihe zu bestimmten Zeitpunkten beendet. Wie in den Untertiteln ihrer "B(lende)" angegeben ziehen sich die Belichtungszeiten mitunter über mehrere Monate. Kriemann soll mir hier als medienästhetisches Beispiel dienen, jene Frage zu untersuchen, die Jussi Parrika in der gleichnamigen Publikation Kriemanns stellte: „[Ob] eine kameralose Belichtung zugleich auch eine subjektlose Fotografie“ [130] bedeuten kann. Ich halte die Frage für deshalb geeignet, da sie sich auf unsere Ausgangsfrage der Handlungsmacht technischer Medien rückbezieht. Indem wir Fotografie als apparative und technische Diskurspraxis verhandeln können, stellten wir auch gleichzeitig die Frage nach der Agency technischer Medien in Anbetracht materieller Dynamik, wie sie Barad verfolgt. Wie sieht sie nun aus, die Agency des Materials, des Nicht-Menschlichen?
Die Verschränkung der Frage nach Handlungsmacht (und Handlungssubjekt) wird deutlich, wenn Parikka feststellt, dass die Fotografie selbst aus einer Geschichte radioaktiver Stoffe stammt und damit „Teil der Materialgeschichte der Medientechnologien [ist.]“ [131] Und dies währt bis heute insofern fort, als dass nicht mehr nur radioaktive Substanzen in einer analogen Fotografie zum Trägermaterial verwendet werden, [132] sondern vielmehr auch als dass die apparative (Digital-)Fotografie der Gegenwart in Smartphones jene unter radioaktiven Beiprodukten geschürften seltenen Erden in ihren Halbleitern und Sensoren verbaut, die Kriemann zum Akteur ihrer Analogfotografie werden lässt. [133] Die „Verbildlichung“ [134] der materiellen Eigenschaften auf dem Radiogramm verweist zugleich in Anbracht der Fotografie als Medium des Zeit-Momentums auf die von Barad beschriebene Intraaktion entlang einer dynamischen Diskurspraktik. Der zu messende Augenblick, dessen Belichtungszeitraum Kriemann auf ihren Belichtungen in Tagen anführt, stabilisiert sich für einen diskretisierten Moment in seiner realen, radioaktiven materiellen Artikulation. (Fotografisches) Material zeigt sich hier nicht länger als „passive Oberfläche, die auf die Prägung durch die Kultur wartet,“ [135] sondern agiert als materielle (Re-)Konfiguration, „durch die Grenzen, Eigenschaften und Bedeutungen je auf verschiedene Weise in Kraft gesetzt werden.“ [136] Insofern können wir von Kriemanns Fotografie als Diskurspraktik ohne Mensch denken. Denn letztlich sind auch die von ihr gesetzten Belichtungszeiten als experimentelle Testreihen keine autoritären Zensuren, wenn sie in ihrer Vielzahl vielmehr die materielle Dynamik als dokumentarischen Protagonisten präsentieren, als das wohlgewählten magische Momentum des Fotografen.
Damit wird zugleich die einleitende Frage nach subjektloser Fotografie obsolet, wenn die Kamera zur apparativen Diskurspraktik avanciert, mittels derer „spezifische materielle Konfigurationen oder […] dynamische (Re-)Konfigurationen der Welt, durch die Körper intraaktiv materialisiert werden.“ [137] Eine Fotografie, wie Kriemann sie vorschlägt, wird zur Praktik des Materials selbst, der Material-Werdung, der Materialisierung. Im Momentum der Aufnahme verlässt sie die Frage der Äußerlichkeit der materiellen Welt, wenn das belichtete Material mit dem strahlenden Material zusammenfällt. Insofern ziehe ich die fotografischen Arbeiten Kriemanns als medienästhetisches Beispiel eines medienepistemologischen Problems heran, da es ihr gelingt, ein technisches Medium wie das der Fotografie auf ihre materielle Grundkonfiguration zurückzuführen. Denn wenngleich Fotografie, wie jedes technische Medium, durch Menschenhand geht, artikuliert sich darin immer auch, oder trotzdem, etwas Nicht-Menschliches, ganz im Sinne Plancks eine „innere Katastrophe, welche die Elektronen aus ihren ursprünglichen Bahnen in andere, stabilere […] Bahnen wirft[.]“ [138]
3. Schlussbetrachtung: What’s the matter?
In den behandelten Abschnitten wurden zwei Positionen vorgestellt, die sich durch ihre Konzeption von Handlungsmacht technischer Medien grundsätzlich unterscheiden. Die eine weist Nicht-Menschlichen Akteuren die Rolle eines Zahnrads im transhumanistischen Gebtriebe zu, die andere versucht die Unterscheidung Nicht-Mensch/Mensch gänzlich zugunsten eines Materialitätsbegriffs aufzugeben, der sich als dynamische Modifizierung der Welt äußert. Während sich Latour vielmehr um soziologische Verteilungsweisen von Handlungsmacht (als Netzwerk) sorgt, versucht Barad an der Materie selbst anzusetzen, die unsere (soziale/technische) Realität nicht länger konstruiert, sondern kontingent rekonfiguriert. Für unsere Ausgangsfrage nach der Handlungsmacht technischer Medien ziehe ich in Anbetracht des Vergleichs der beiden Positionen den Schluss, dass sich die Frage nach Agency nicht ohne weiteres auf Nicht-Menschliche Akteure anwenden lässt, möchte man nicht in die Fallstricke transhumanistischer Theorie tappen. Agency impliziert – wie wir bei Latour sahen – dass Agenten eine Zielorientierung zugrunde liegt. Agency kann in Anbetracht Barads Ansätzen einer dynamischen Performativität von Materie nicht aufrechterhalten werden, da die Materie selbst kein Ziel verfolgt, sondern Möglichkeiten erzeugt. Agency würde zu kurz greifen, um der materiellen Realität gerecht zu werden, da Agency bereits die Vollendung eines agentiellen Schnitts voraussetzt.
Wie Tim Ingold in seinem 2007 erschienenem Aufsatz Materials against materiality argumentierte, ist die Unterscheidung in Menschliche und Nicht-Menschliche Akteure insofern problematisch, als dass sich nicht einmal eine saubere Trennung von Artefakt und reinem Material vollziehen lässt:
[T]he bifacial stone hand-axe recently made for me by a professional flint-knapper is perhaps more artificial than the stone recovered from your garden […]. But that does not make the former any more part of the material world than the latter. […] Why exclude things like the stone, which have been recovered and removed but not otherwise transformed? [139]
Agenten benötigen keine Agency, keine Handlungsmacht, denn ihre materielle Grundformation ist eine performative Diskurspraktik, unter der sie sich und die Welt äußert. Für eine Autonomie menschlicher/nicht-menschlicher Akteure zu sprechen, würde bedeuten, sie apparativ aus ihrer intraaktiven Dynamik zu reißen und einem agentiellen Schnitt zu unterziehen. Gleichwohl ist jede Untersuchung, wie auch die Vorliegende, unter einem agentiellen Schnitt zustande gekommen. Eine medientheoretische Epistemologie lässt sich nicht allein entlang ihrer apparativen, technischen Agenten verfolgen, sondern muss sich der Konfiguration, der Distanzierung von Objekt und Subjekt durch den agentiellen Schnitt bewusst sein, um das spezifische Zustandekommen der Materialität im technischen Gerät zu untersuchen. Das Gerät ist selbst Diskurspraktik, ganz eigen durch ihre materielle Konfiguration. Barad schlägt zuletzt eine „Onto-epistemo-logie“ vor, „die Untersuchung von Erkenntnispraktiken innerhalb des Seins“ [140] um die dynamische Kontingenz der materiellen Welt nicht länger in eine transhumanistische Figur des Mensch/Maschine-Amalgams – und damit immer auch in jene des Menschen – zu legen.
Mit der vorliegenden Arbeit habe ich mich beiden Ansätzen, des Transhumanismus sowie des Posthumanismus entlang zweier Positionen genähert. Ein klassischer Vergleich hat sich insofern als schwer erwiesen, als dass die Parameter, unter denen die beiden Ansätze denken, grundlegend desperat zueinander sind. Für die Ausgangsfrage bedeutet die vorliegende Untersuchung jedoch, dass die Handlungsmacht technischer Medien entlang ihrer spezifischen Konfiguration, ihrer (nicht länger nur sprachlichen) Diskurspraktiken, ihrer Onto-epistemo-logie zu verfolgen wäre – mitunter nach Bohr, „daß wir mit dem Wort ‚Experiment‘ auf eine Situation hinweisen, in der wir anderen mitteilen können, was wir getan und was wir gelernt haben[.]“ [141] Nicht zuletzt sind apparative Techniken notwendige agentielle Schnitte, um sich diesen Fragen der Materialisierung als Realisierung der Welt im technischen Medium zu nähern.
1 Bohr, Niels: Diskussion mit Einstein über erkenntnistheoretische Probleme in der Atomphysik. In: ders.: Atomphysik und menschliche Erkenntnis. Aufsätze und Vorträge aus den Jahren 1930 bis 1961. Braunschweig / Wiesbaden: Friedrich Vieweg & Sohn Verlagsgesellschaft, 1985. S. 39.
2 Bohr, 1985. S. 38.
3 Bohr, 1985. S. 38.
4 Bohr, 1985. S. 39.
5 Vgl. Bohr, 1985. S. 39.: „[D]ies tritt unmittelbar zutage in dem Dilemma betreffend Korpuskel- und Welleneigenschaften der Elektronen und Photonen, bei denen wir es mit kontrastierenden Bildern zu tun haben, von denen jedes eine wesentliche Seite der Erfahrung darstellt.“
6 Bohr, 1985. S. 64.
7 Barad, Karen: Agentieller Realismus. Über die Bedeutung materiell-diskursiver Praktiken. Berlin: Suhrkamp, 2016. [2003] S. 11.
8 Vgl. McLuhan, Marshall: The Gutenberg Galaxy. The Making of Typographic Man. Toronto: University of Toronto Press, 1962. S. 31.
9 Vgl. Brown, Bill: Materiality. In: Mitchell, W. J. T.; Hansen, Mark B. N. [Hrsg.]: Critical Terms for Media Studies. Chicago; London: University of Chicago Press, 2010. S. 50.
10 Anm.: Die weitläufige Verkürzung als „Actor Network Theory“ scheint unter dem Gesichtspunkt der Unterscheidung von Akteuren und Aktanten, die Latour trifft, unsauber gewählt. Aus diesem Grund verwende ich die häufig erscheinende Abkürzung ANT unter dem Verständnis, Akteure und Aktanten gleichzeitig zu meinen, insofern nicht anders und explizit angegeben.
11 Vgl. Latour, Bruno: Pandora’s Hope. Essays on the Reality of Science Studies. Cambridge: Harvard University Press, 1999. S. 201.
12 Barad, 2012. S. 12.
13 Barad, 2012. S. 17.
14 Barad, 2012. S. 24.
15 Vgl. Barad, Karen: Meeting the Universe Halfway. Quantum Physics and the Entanglement of Matter and Meaning. Durham; London: Duke University Press, 2007. S. 214: “Agency cannot be designated as an attribute of subjects or objects (as they do not preexist as such). Agency is a matter of making iterative changes to […] practices through […] dynamics[.]”
16 Kittler, Friedrich: Die Welt des Symbolischen – eine Welt der Maschine. In: ders.: Draculas Vermächtnis. Technische Schriften. Leipzig: Reclam, 1993. S. 76 – 77.
17 Kittler, 1993. S. 77.
18 McLuhan, Marshall: Understanding Media. The Extensions of Man. Cambridge; London: MIT Press, 1994. [1964] S. 45.
19 McLuhan, 1994. S. 68.
20 Vgl. Haraway, Donna: A Cyborg Manifesto: Science, Technology, and Socialist-Feminism in the Late Twentieth Century. In: dies.: Simians, Cyborgs, and Women. The Reinvention of Nature. New York: Routledge, 1991. [1984] S. 154: “[A] cyborg world might be about lived social and bodily realities in which people are not afraid of their joint kinship with animals and machines, not afraid of […] partial identities[.]”
21 Vgl. Latour, 1999. S. 191.
22 Anm.: Latours Differenzierung von Technik und Technologie ist stellenweise unscharf, wenn er Technologie als „upgraded version“ (Latour, 1999. S. 191) einer Technik im „modus operandi“ (ebd. S. 192, sowie 209) beschreibt. Vielmehr verfolgt Latour eine Strategie, das Technische als Handlungsweise und nicht als Objekt zu fassen: „Technical Is a Good Adjective, Technqiue a Lousy Noun“ (ebd. S. 190.)
23 Vgl. Latour, 1999. S. 193.
24 Latour, 1999. S. 180: “[W]e realize that neither subject nor object (nor their goals) is fixed. When the propositions are articulated, they join into a new proposition. They become ‘some, something’ else.”
25 Vgl. Latour, 1999. S. 120.
26 Vgl. Latour, 1999. S. 122.
27 Vgl. Latour, 1999. S. 126.
28 Latour, 1999. S. 181.
29 Vgl. Latour, 1999. S. 190.
30 Latour, 1999. S. 178.
31 Latour, 1999. S. 182.
32 Vgl. Latour, 1999. S. 198: „Humans, […] have extended the social relations to other actants with which, with whom, they have swapped many properties, and with which, with whom, they form collectives.“
33 Latour, 1999. S. 189.
34 Latour, 1999. S. 180.
35 Latour, 1999. S. 307.
36 Latour, 1999. S. 174.
37 Vgl. Latour, 1999. S. 303: „Later its [the agent’s] competence* [Herv. i. O.] is deduced and made part of an institution.”
38 Latour, 1999. S. 196. 39 Latour, 1999. S. 196.
40 Latour, 1999. S. 193.
41 Latour, 1999. S. 303.
42 Vgl. Latour, 1999. S. 178: „The answer […] depends on what mediation* [Herv. i. O.] means.”
43 Latour, 1999. S. 178.
44 Latour, 1999. S. 180.
45 Vgl. Latour, 1999. S. 183.
46 Vgl. Latour, 1999. S. 185.
47 Vgl. Latour, 1999. S. 178: „Agents can be human or […] nonhuman, each can have their goals[.]”
48 Latour, 1999. S. 178.
49 Vgl. Latour, 1999. S. 179.
50 Latour, 1999. S. 179.
51 Latour, 1999. S. 182.
52 Vgl. Latour, 1999. S. 181: „Of course, in most tool stories there is not one but two or several subprograms* [Herv. i. O.] nested in one another.”
53 Latour, 1999. S. 179.
54 Latour, 1999. S. 183.
55 Latour, 1999. S. 183.
56 Latour, 1999. S. 183.
57 Latour, 1999. S. 183.
58 Latour, 1999. S. 189.
59 Vgl. Latour, 1999. S. 186: „But technqiues modify the matter of our expression, not only its form.”
60 Latour, 1999. S. 189.
61 Vgl. Latour, 1999. S. 153: “[M]ediation* [Herv. i. O.], that is, […] an occurrence that is neither […] a cause nor […] a consequence, neither completely a means nor […] an end.”
62 Vgl. Latour, 1999. S. 307: „[A mediation] or an actor* [Herv. i. O.] […] cannot be exactly defined by its input and its output. […] [A] mediation always exceeds its condition.”
63 Kittler, Friedrich: Grammophon, Film, Typewriter. Berlin: Brinkmann und Bose, 1986. S. 207.
64 Kittler, 1986. S. 32.
65 Anm.: Hier wird die Unterscheidung zwischen Technischem und Technologischem von Bedeutung, deren Ausdifferenzierung uns Latour in seiner Theorie schuldig bleibt. In eigner Sache definiere ich das Technologische unter jenen Voraussetzungen, die über die (Kultur-)Technik hinausgehen, da das Technologische entlang seiner eigenen materiell-logischen Bedingungen im Sinne eines techno-logos in Vollzug gerät. Das Technische hingegen macht in ihrer Konzeption von der klassischen Newtonschen Physik Gebrauch und unterliegt keiner formalen Eigenlogik.
66 Kittler, 1986. S. 354.
67 Kittler, 1986. S. 279.
68 Latour, 1999. S. 304. 69 Latour, 1999. S. 308.
70 Latour, 1999. S. 197. [Übersetzung d. V.]
71 Vgl. Latour, 1999. S. 198.
72 Latour, 1999. S: 200.
73 Vgl. Latour, 1999. S. 214: „Even the shape of humans, our very body, is composed to a great extent of sociotechnical negotiations and artifacts. To conceive humanity and technology as polar opposites is, in effect, to wish away humanity: we are sociotechnical animals, and each human interaction is sociotechnical. We are never limited to social ties. We are never faced only with objects.”
74 Latour, 1999. S. 214.
75 Latour, 1999. S. 281.
76 Vgl. Latour, 1999. S. 197: „In order to take account of this symmetry between humans and nonhumans, on the one hand, and this continuity between traditional and modern collectives, on the other, social theory must be somewhat modified.”
77 Latour, 1999. S. 200.
78 Vgl. Latour, 1999. S. 201.
79 Ernst, Wolfgang: Gleichursprünglichkeit: Zeitwesen und Zeitgegebenheit von Medien. Berlin: Kadmos, 2012. S. 27.
80 Vgl. Ernst, 2012. S. 291: „Während die Operation mit Symbolen als Definition von Kulturtechniken bislang ganz und gar den Menschen oblag, vermögen Medienmaschinen (definiert als System, das Input, Verarbeitung und Output von Signalen hintereinanderschaltet) Ereignisse nach eigenem Recht zu zeitigen.“
81 Vgl. Ernst, 2012. S. 321: „Je mehr Störungen, Stockungen und Diskontinuitäten es [das Medium] jedoch evoziert, desto insistenter macht es sich damit bewußt.“
82 Kittler, Friedrich: Signal—Rausch—Abstand. In: Gumbrecht, Hans Ulrich; Pfeiffer, K. Ludwig [Hrsg.]: Materialität der Kommunikation. Frankfurt/Main: Suhrkamp, 1988. S. 342 – 359.
83 Vgl. Latour, 1999. S. 201, Abb. 6.7.
84 Kittler, 1988. S. 348.
85 Ernst, 2012. S. 358.
86 Ernst, 2012. S. 26.
87 Turing, Alan M.: On Computable Numbers, With an Application to the Entscheidungsproblem. In: Proceedings of the London Mathematical Society, Bd. s2-42, Ausgabe 1. London, 1937. S. 250. https://doi.org/10.1112/plms/s2-42.1.230 zuletzt aufgerufen 26.02.2020, 18:17 Uhr.
88 Vgl. Turing, 1937. S. 249.
89 Barad, 2012. S. 7.
90 Barad, 2012. S. 7. Hinweis des Übersetzers.
91 Hayles, Katherine N.: How We Became Posthuman. Virtual Bodies in Cybernetics, Literature, and Informatics. Chicago; London: University of Chicago Press, 1999. S. xiii.
92 Hayles, 1999. S. 4.
93 Vgl. Hayles, 2012. S. 84 – 85.; Vgl. Haraway, 1991. S. 152: “Far from signaling a walling off of people from other living beings, cyborgs signal disturbingly and pleasurably tight coupling. Bestiality has a new status in this cycle of marriage exchange.”
94 Haraway, 1991. S. 176.
95 Haraway, 19991. S. 150.
96 Vgl. Hayles, 1999. S. 114: „As […] Haraway has pointed out, cyborgs are simultaneously entities and metaphors, living beings and narrative constructions.“
97 Vgl. Butler, Judith: Bodies that Matter. On the Discursive Limits of “Sex”. New York; London: Routledge, 1993. S. ix: “Theorizing from the ruins of the Logos invites the following question: ‘What about the materiality of the body?’”
98 Barad, 2012. S. 7.
99 Barad, 2012. S. 9; Anm.: Barad erwähnt Latour nicht namentlich, lässt jedoch an ihrer Rekapitulation der Wissenschaftskritik seit den späten 1990er Jahren das Umfeld dieser Akteure erkennen.
100 Barad, 2012. S. 8.
101 Barad, 2012. S. 13.
102 Barad, 2012. S. 12.
103 Barad, 2012. S. 21.
104 Barad, 2012. S. 21.
105 Barad, 2012. S. 11.
106 Vgl. Barad, 2012. S. 18: „eine Rationalität zwischen spezifischen materiellen (Re-)Konfigurationen der Welt, durch die Grenzen, Eigenschaften und Bedeutungen auf unterschiedliche Weise in Kraft gesetzt werden[.]“
107 Vgl. Barad, 2012. S. 17.
108 Barad, 2012. S. 19.
109 Vgl. Barad, 2012. S. 18.
110 Barad, 2012. S. 12.
111 Barad, 2012. S. 41.
112 Barad, 2012. S. 40.
113 Barad, 2012. S. 40.
114 Vgl. Barad, 2012. S. 32: „Diskurs ist kein Synonym für Sprache.“
115 Vgl. Barad, 2012. S. 32: „Der Diskurs ist nicht das, was gesagt wird; er ist das was dasjienige, das gesagt werden kann, einschränkt und ermöglicht.“; Vgl. Foucault, Michel: Archäologie des Wissens. Frankfurt/Main: Suhrkamp, 1981. S. 35: „Auf jeden Fall sind diese Unterteilungen [Literatur, Politik, Wissenschaft]- ob es sich nun um die von uns eingestandenen oder um jene handelt, die den untersuchten Diskursen zeitgenössisch sind - stets selbst reflexive Kategorien, Ordnungsprinzipien, normative Regeln, institutionalisierte Typen: dies sind ihrerseits Diskursfakten, die neben den anderen analysiert zu werden verdienen; sie hatten ganz sicher mit ihnen komplexe Beziehungen, sind aber keine immanenten, autochthonen und allgemein erkennbaren Merkmale davon.“
116 Barad, 2012. S. 32.
117 Barad, 2012. S. 34.
118 Barad, 2012. S. 35.
119 Barad, 2012. S. 36.
120 Vgl. Barad 2012. S. 36: „Sie [die Verstehbarkeit der Welt] ist keine vom menschen abhänge Eigenschaft, sondern ein merkmal der Welt in ihrem jeweiligen Werden.“
121 Barad, 2012. S. 37: „Erkennen bezieht sich nicht auf eine Sicht von oben oder von außerhalb oder gar von einem durch Prothesen verbesserten menschlichen Körper aus. Erkennen ist eine Sache des Intraagierens.“
122 Barad, 2012. S. 19. [Herv. i. O.]
123 Barad, 2012. S. 20. [Herv. i. O.]
124 Vgl. Barad, 2012. S. 29.: „[…] daß Schnitte Teil der Phänomene sind, zu deren Entstehen sie beitragen.“
125 Vgl. Barad, 2012. S. 41.
126 Barad, 2012. S: 67.
127 Barad, 2012. S. 68.
128 Planck, Max: Die Physik im Kampf um die Weltanschauung. Vortrag, gehalten im Harnack-Haus, Berlin-Dahlem, am 06. März 1935. In: ders.; Roos, Hans; Hermann, Armin [Hrsg.]: Vorträge Reden Erinnerungen. Berlin, Heidelberg: Springer, 2001. [1935] S. 124.
129 Planck, 2001. S. 125.
130 Parikka, Jussi: The Slow Violence of Radiological Media. / Die schleichende Gewalt radiologischer Medien. In: Kriemann, Susanne; Mertens, Heike (Hrsg.): P(ech) B(lende). Library for Radioactive Afterlife. Leipzig: Spector Books, 2016. S. 106.
131 Parikka, 2016. S. 106.
132 Vgl. Parikka, 2016. 108.
133 Vgl. Parikka, 2016. S. 110: „Rechner sind selbstverständlich Teil dieses Medienverbundes[.]“
134 Parikka, 2016. S. 114.
135 Barad, 2012. S. 97.
136 Barad, 2012. S. 98.
137 Barad, 2012. S. 72.
138 Planck, Max: Das Wesen des Lichts. Vortrag gehalten in der Hauptversammlung der Kaiser-Wilhelm-Gesellschaft am 28. Oktober 1919. Berlin, Heidelberg: Springer, 1920. S. 20.
139 Ingold, Tim: Materials against materiality. In: Archaeological Dialogues, Bd. 4, Cambridge University Press, 2007. doi:10.1017/S1380203807002127 zuletzt aufgerufen 05.03.2020, 10:35 Uhr. S. 4.
140 Barad, 2012. S. 100.
141 Bohr, 1985. S. 38.
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